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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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sein sollte«, sage ich schließlich, »würde ich mir wünschen, dass wir uns weiterhin duzen, so wie wir es gestern getan haben. Und ich möchte mich bedanken für das, was Sie, was du hier draußen für mich getan hast. Mein wirklicher Name ist übrigens Heiner.«
    Er fixiert mich und dann lächelt er, etwas gezwungen noch.
    »Meinen Namen kennen Sie ja«, sagt er. »Aber ich nehme Ihr Angebot an.«
    »Du«, sage ich.
    »Ja«, sagt er.
    Nun ist es auch für uns ein Spaziergang. Wir schlendern dahin, und ich kann unmöglich sagen, wie lange es dauert. Irgendwann sehen wir am Horizont den Turm und dann die Dächer über den Rand der Einöde hinauswachsen. Die Beek neben uns ist wieder zum stattlichen Bachlauf angewachsen, der uns nun auch ohne Seile sicher in die Stadt hineinführen würde.
    »Unglaublich«, sagt der Lehrer. »Ich hätte niemals gedacht, dass die Lösung so einfach ist.« Er bleibt noch einmal stehen, betrachtet sein fernes, fremdes Beek und stemmt die Fäuste in die Hüften. »Und ich muss zugeben, dass ich auch ein bisschen enttäuscht bin. Ich hatte doch irgendwie gehofft, es würde einen wirklichen Ausgang dort am äußeren Rand der Einöde geben. Einen Ausgang in eine ganz andere Welt.«
    »Aber den gibt es doch«, sage ich.
    Er schaut mich fragend an.
    »Du kannst mich gerne durch den Schrank in meine Welt begleiten. Ich meine, ich bin nicht sicher, ob es funktioniert, vielleicht ist es schon mit einem Risiko verbunden. Keine Ahnung, ob ein Beeker diesen Weg gehen kann. Aber wenn du möchtest, können wir es ausprobieren, warum nicht?«
    »Hm«, macht der Lehrer und schaut ernst auf seine Stadt.
    Wir nähern uns den Häusern und werden langsamer. Jetzt, wo wir die Stadt vor der Nase haben, mag ich die Einöde nicht verlassen. Dem Lehrer scheint es ähnlich zu gehen. Immer wieder bleibt einer von uns stehen und dreht sich um, lässt den Blick in die Weite schweifen. Dann wendet auch der andere sich noch einmal der Landschaft zu, die uns so viel abverlangt hat, breitet die Arme aus oder kratzt sich am Kopf, atmet tief ein und seufzt beim Ausatmen. Beide wissen wir, dass wir nicht bleiben können.
    »Schau mal«, sagt der Lehrer, als ich noch einmal die Weite der Einöde in mich hineinatme, das Ungestaltete, Ungeformte, nicht Zivilisatorische, Freie. Ich wende mich um und betrachte die ersten Häuser Beeks, die ersten einfachen Backsteinbauten, Schuppen, Hintertüren, Wäscheleinen voller Wäsche, die jetzt zum Greifen nahe scheinen. Erst beim zweiten Blick fallen mir die Menschen auf, die uns gemessenen Schrittes entgegenkommen, schweigend, eine stille Prozession.
    Nach und nach fallen mir hie und da bekannte Gesichter auf, auch Teilnehmer unserer Expeditionsgruppe und schließlich Daniela, was bedeutet, dass Daphne und der Bürgermeister wieder schneller als wir gewesen sind. Und es fallen mir Menschen auf, deren Kleidung sie eindeutig als Bewohner der anderen Seite kennzeichnet. Daphne und der Bürgermeister scheinen drüben mehr Überzeugungskraft besessen zu haben als ich seinerzeit. Die Menschen gehen langsam und schweigend auf uns zu. Niemand lächelt, die Beeker schauen uns ernst entgegen. Und als wir uns schließlich begegnen, bleiben wir alle stehen, als hätten wir dieses Schauspiel lange in geheimen Proben eingeübt, als läge eine Choreografie zu Grunde. Die Beeker drängen sich um uns, den Lehrer und mich, drängen möglichst dicht heran an uns, man legt uns Hände auf Arme, Brust und Köpfe. Und irgendwann werden wir emporgehoben und in die Stadt hineingetragen. Und der Lehrer und ich lassen es geschehen, als wären wir darauf vorbereitet, und vielleicht sind wir es sogar, vielleicht steht etwas Entsprechendes in der Prophezeiung. Und also werde ich zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit über eine Grenze getragen, das erste Mal von einer übermenschlich willensstarken Person über die innerste Grenze der Einöde und jetzt von vielen, von der Gemeinschaft, über die Stadtgrenze Beeks.
    Erst am Ufer des Sees, angesichts der Wand, die überwunden ist, ohne besiegt zu sein, und ihrer gleichzeitig offenen und geschlossenen Tür, wo Daphne und der Bürgermeister uns schon lächelnd erwarten, werden wir vorsichtig auf den Boden herabgelassen.
    »Erster«, sagt Daphne.
    »Ihr Schnecken«, sagt der Bürgermeister.
    »Ich möchte ein paar Worte sagen«, sagt der Lehrer.
    Der Lehrer wendet sich an das Volk. Er hält eine Rede. Ich bekomme das meiste nicht mit, weil ich zu sehr mit mir

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