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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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Mann mit dem Sportgerät, das er so hinter seinem Rücken verbirgt, dass wir es kaum zu Gesicht bekommen. Es scheint ihm selbst unangenehm zu sein, in welche Lage man uns gebracht hat.
    »Gute Nacht, Daphne«, sage ich später ins Dunkel. »Schön, dich kennengelernt zu haben. Verrückt, was wir miteinander erleben, was?«
    »Absolut«, flüstert es leise zu mir herüber, als wäre es verboten, im Dunkel noch lange zu sprechen. »Schlaf schön.«
    »Du auch, träum süß.«
    Und dann schlafe ich sofort ein, als gäbe es keinen besseren Ort für mich als diese Hütte in der Anwesenheit Daphnes in Beek.
     
    15
    Als der Lehrer uns persönlich befreit, will bei mir keine rechte Freude aufkommen. Immerhin tut er es mit zerknirschtem Gesichtsausdruck. Er ist blass, dunkle Schatten liegen unter seinen Augen. Wir stehen im Morgengrauen auf der taufeuchten Wiese am Ufer des Sees, Daphne und ich reiben uns die steifen Glieder. Er streckt mir die Hand hin, die ich geflissentlich übersehe. Ich betrachte eine Schwanenfamilie, die elegant in den Nebel gleitet.
    »Und?«
    »Es hat geklappt. Es hat tatsächlich geklappt, mit den Seilen, auch ohne Mittler. Wie du gesagt hast.«
    Verlegen zieht er seine Hand zurück.
    »Es hat auch gar nicht lange gedauert. Man kann das schon so machen, es ist durchaus praktikabel. Allerdings bleiben jene verschwunden, die vor deinem Erscheinen durch die Tür gegangen sind. Ich konnte sie nirgendwo finden.«
    Ich schweige.
    »Und drüben auf der anderen Seite, tja. Ach, na ja. Echte Begeisterung sieht anders aus. Ich möchte es wohlwollende Gleichgültigkeit nennen. Für den Anfang reicht es, denke ich. Sie sind nicht über uns hergefallen, das ist es, was zählt.«
    Ich betrachte die schweren Wolken, die jetzt über der Stadt hängen, sie sehen aus wie große, trächtige Weltraumtiere. Ich sehe dabei zu, wie sie ihre Bäuche öffnen und wieder einmal weißes Gewusel auf mich herunterrieseln lassen. Werde ich jemals passend gekleidet sein in Beek?
    »Heiner«, sagt er. »Ich möchte mich bei dir bedanken und mich entschuldigen. Du bist jetzt frei, ein freier Mann.«
    »Ha«, sage ich. Mir geht das alles immer zu schnell hier, ein ewiges Hin und Her, eben Freund, plötzlich Feind.
    Er sagt: »Es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich weiß nicht, ob du meine Entschuldigung annehmen kannst?«
    Wir stehen da in der Schwanenscheiße und blicken einander in die Gesichter.
    »Ich möchte dir wirklich gerne etwas mitgeben«, sagt er dann. »Ein Andenken an Beek, das du mit in deine Welt hinübernehmen sollst. Damit du uns nicht vergisst.«
    »Das ist gut«, sage ich.
    »Erst habe ich an ein Brot gedacht.« Er lächelt schüchtern. »Dann aber sagte ich mir, etwas Dauerhaftes, Bleibendes ist besser.«
    Er drückt mir ein Buch in die Hand, das er hinter seinem Rücken versteckt gehalten hat. Das Buch mit den Beeker Sagen.
    Der Name Karl Hoppe steht darauf und Beeker Geschichten .
    »Danke«, sage ich. Ich presse das Buch mit beiden Händen gegen meinen Leib.
    »Nicht dafür«, sagt der Lehrer, dieser Hermann Hesse bei der Gartenarbeit, ein dünner, ernster Mann mit einem Vogelkopf. Er legt mir schüchtern eine Hand auf den Oberarm.
    »Jetzt aber wollen wir uns endlich angemessen bei dir bedanken. Es soll einen großen Empfang im Rathaus für dich geben, eine rauschende Feier, mit der wir dich verabschieden möchten, die anderen bereiten schon alles vor. Ein Fest der Einheit, eine Wiedervereinigungsfeier.«
    »Ich kann nicht mehr bleiben«, sage ich, »es geht nicht, ich habe einfach keine Geduld mehr. Warum versteht das eigentlich keiner?«
    »Natürlich«, sagt der Lehrer, »ich verstehe es. Ich würde es nur gerne wiedergutmachen, bitte. Gib mir diese Chance, lass uns nicht als Feinde voneinander scheiden. Es wäre uns eine Ehre, wenn du daran noch teilnehmen würdest.«
    »Darf ich mich bis dahin frei im Ort bewegen?«
    »Natürlich«, sagt mein Freund und Feind, der Lehrer. »Es soll hier in Beek nie wieder Eingesperrtsein geben, diese Zeiten sind für immer vorbei.«
    »Na gut«, sage ich, »schön, schön, schön, dann bleibe ich dafür eben auch noch, Koma hin oder her.«
    Daphne ist zum Bürgermeister ins Rathaus verschwunden, wo sie mithelfen will, die Feierlichkeiten vorzubereiten, Lampions aufhängen, Stühle rücken, Luftballons aufblasen, was weiß ich. Ich schlendere durch Beek. Überall in der Stadt sind die Leute auf den Beinen, die Haustüren stehen

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