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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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der anderen Seite ergreift mich. Ich blicke dem Mann nach, der sich noch mehrfach lächelnd und sanft den Kopf schüttelnd umblickt.
    Ich komme an einer gepflegten Tennisanlage vorbei. Die meisten Plätze werden von der Sprinklereinrichtung gewässert, nur auf einem Platz mühen sich zwei ältere Damen mit hellblau gefärbten Haaren in aufwendigen Tenniskostümen ab, dreschen sich mit verkniffenen Mündern die Bälle um die Ohren.
    Nach einer geraumen Weile, in der ich erfolglos versuche, mich zur Polizei oder einer anderen offiziellen Stelle durchzufragen, finde ich den Gedanken immer attraktiver, einfach zurückzukehren hinter die Wand. Mir fällt ein, dass ein Beweisstück nicht schlecht wäre. Sonst denken die von meiner Seite noch, ich hätte bloß ein bisschen im Türschatten gestanden und dächte mir jetzt die schönsten Geschichten aus. Ich betrete eine Bäckerei, die mit einer großen goldenen Brezel über der Ladentür wirbt. Der Bäcker oder der Bäckereifachverkäufer oder was auch immer ist ein hagerer Mann mit auffallend kleinen Ohren.
    »Guten Tag«, sage ich, »ich bin Tourist, falls Sie wissen, was das bedeutet. Ich möchte gerne eine ortstypische Spezialität erwerben. Gibt es irgendein Backwerk, das Sie eine Spezialität nennen würden?«
    Der Bäcker guckt mich an wie eine Backspezialität.
    »Nehmen Sie ein Brot«, sagt er dann.
    »Ein Brot?«
    »Ein Brot.«
    »Was für ein Brot?«
    Er schüttelt den Kopf und dreht sich zu seinem Regal mit Backwaren um.
    »Nehmen Sie das hier.« Er legt ein Brot mit heller Kruste zwischen uns auf den Tresen.
    »Ist das eine Spezialität?«
    »Sicher.«
    »Eine hiesige Spezialität, etwas, das es nur auf dieser Seite der Stadt gibt?«
    »Ja.« Er nickt eindringlich.
    »Wie heißt dieses Brot?«
    »Brot.«
    »Bloß Brot? Ich habe mir etwas, ich weiß nicht, Klangvolleres vorgestellt.«
    »Na schön, es heißt Beekbrot.«
    »Hm.«
    »Also, wollen Sie nun das Brot? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
    »Gut«, sage ich, »können Sie es für mich einpacken?«
    Der Bäcker wickelt das Beekbrot seufzend in graues Papier ein.
    »Das macht sechs Frahm.«
    »Bitte?«
    »Sechs Frahm.«
    Stimmt, an Geld hatte ich noch gar nicht gedacht.
    »Nehmen Sie auch Euro? Oder EC-Karte?«
    Der Bäcker guckt mich an, als wäre ich irgendwo entlaufen.
    »Oder haben Sie vielleicht Interesse an dieser Schriftrolle? Es ist eine Original-Friedensbotschaft von drüben.«
    »Wie, drüben?«, fragt der Bäcker. Er sieht nicht aus, als hätte er einen großen Vorrat an Geduld. Also knete ich spontan meinen Verlobungsring vom Finger und lege ihn neben das Brot.
    »Geht das?«, frage ich.
    Der Bäcker schmunzelt. Er nickt. Seine kleinen Ohren zucken.
    Ich schlendere ziellos umher. Ich folge wahllos den Straßen, immer neue weiße Villen, unterschiedliche Schattierungen von Weiß, Eierschalenweiß, Altjungfernweiß, Meerschweinchenweiß, Schwanenweiß, Zitroneneisweiß, Alte-Männerhaare-Weiß. Mit Brot und Rolle unterm Arm habe ich weitere Personen angesprochen. Man hat mir freundlich erklärt, es gebe gar keinen Bürgermeister, man operiere seit Langem mit flachen Hierarchien. Vielleicht gebe es sogar keine Polizei mehr, das sei lange im Gespräch gewesen, diese habe sich möglicherweise überlebt. Ich betrachte die immer gleichen gepflegten Vorgärten, blühende Rhododendren und Hortensien, Goldregen kurz vor dem Abblühen. Die immer gleichen freundlichen, unverbindlichen Gesichter der entgegenkommenden Passanten, das immer gleiche federleichte Erstaunen, das mit viel Distinguiertheit kaschiert wird.
    Als ich die Beek am Ende einer Gasse aufschillern sehe, biege ich von der Hauptallee ab. Ich folge dem Fluss. Die Beek ist hier ein sanfter Flusslauf, fast schon mehr ein Bach, eine grüne Böschung, ein Sandweg am Ufer. Hin und wieder lädt eine Bank zum Verweilen ein. Weiden neigen sich über das Ufer, die Zweige kämmen die Wasseroberfläche. Ich setze mich auf eine Bank und atme. Was wäre mit meinem Ausflug bewiesen? Ich rolle das mitgebrachte Schriftstück auseinander und lese die nichtssagenden Worte, blablabla. Dann falte ich daraus ein Papierschiffchen und lasse es auf dem Wasserlauf fahren. Ich wandere nachdenklich in dieselbe Richtung.
    Nach einer Weile werden die Villen spärlich. Ich habe sogar schon zwei blassgrüne Doppelhäuser gesehen, deren Gärten sich an den Lauf der Beek schmiegten. Links und rechts des Flusses ist jetzt mehr Platz, die Gärten wachsen sich aus, Wiesen

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