Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
Vom Netzwerk:
sich wundert, dass ich nach Jahren erst auftauche, um gleich anschließend wieder zu verschwinden.
    Ich wende mich der Tür zu, taumele aus dem Schatten dieses Zimmer in einen winzigen Flur, habe die Klinke der Wohnungstür in der Hand. Ich befinde mich schon im Treppenhaus einer Mietskaserne, es riecht nach Karbonade. Und dann zurück.
    »Ach«, sage ich ins Ungefähr, ohne sie zu sehen. »Kirsten, in welcher Stadt sind wir eigentlich? Wo wohnst du denn?«
    Eine Weile höre ich nichts. Ich frage mich, ob sie mich gehört hat, ob meine Frage durchgedrungen ist zu ihr. Aber ihr scheint keine Frage zu sinnlos.
    »Karlsruhe«, höre ich sie mit leiser Stimme sagen.
    Dann ziehe ich die Tür ins Schloss.
     
    9
    Ich schiebe Danielas Kleider auseinander und will aus dem Schrank treten. Was nicht funktioniert, da ich, einen Fuß noch im Inneren des Schrankes, einen harten Schlag an den Kopf verspüre. Als wäre ich ein Gong. Als liefe ich gegen ein Bergmassiv. Ich wende mich zur Seite und blicke in ein fremdes Augenpaar, in ein Gesicht mit Aknenarben und Kinnbart, lange Haare. Der Mensch vor dem Schrank glotzt verdutzt, vielleicht hat er zu fest damit gerechnet, dass sein Schlag mich fällen wird. Ich betrachte den Baseballschläger in seiner Hand und höre mich denken, witzig, die spielen Baseball in Beek, wie absurd ist das denn bitte.
    Dann will ich etwas Lässiges sagen, einen ironischen Kommentar zu dieser speziellen Art von Empfang, aber es funktioniert nicht, weil ich jetzt doch irgendwie in Schieflage gerate. Ich werde getragen, was nicht unangenehm ist, würde mein Schädel nicht so schmerzen und würde es nicht so infernalisch an mir rütteln.
    Ich werde auf einen Stuhl gesetzt. Man bindet mir die Füße an die Beine des Stuhls, man fesselt mir die Handgelenke hinter dem Rücken. Das Licht ist zu grell, es blendet mich zwischen den zusammengekniffenen Lidern hindurch. Mein Kopf tut weh. Der Stuhl, auf dem ich sitze, wackelt leise vor sich hin. Er befindet sich im Schulgebäude. Der Lehrer funkelt mich giftig an. Hinter ihm stehen der Bürgermeister, der Apotheker, der Typ mit der Baseballkeule und noch zwei zwielichtige Gesellen, die nach körperlicher Schinderei aussehen. Auch Daniela steht dort im Hintergrund, sie macht sehr schmale Lippen und schaut mich sorgenvoll an.
    Ich blicke durch das Fenster hinaus auf den Baum, der vor dem Schulgebäude steht. Seine Blätter sind gelb geworden, einige feuerrot. Ein einzelnes Blatt trudelt gerade sanft und friedlich vor dem grauen Himmel gen Erdboden.
    »Einfach so abzuhauen, zum zweiten Mal schon, das könnte Ihnen so passen.« Der Lehrer ist dicht an mich herangetreten und verpasst mir eine Ohrfeige, die meinen Kopf zur Seite schwingen und nachfedern lässt.
    »Johann, nicht«, höre ich Daniela sagen.
    »Jetzt werden hier andere Saiten aufgezogen.« Er verpasst mir eine zweite Schelle auf die andere Seite des Gesichts. Über Abwechslung kann ich mich also nicht beklagen.
    »Wo ist Daphne?«, nuschele ich. Meine Lippe ist aufgeplatzt, ich fühle, wie warmes Blut mein Kinn hinabläuft.
    »Da, wo sie sein soll, sie tut ihren Dienst. Allerdings wird sie rund um die Uhr bewacht, damit sie nicht auch vor ihrer Aufgabe kneift.«
    Er verpasst mir noch eine Ohrfeige. Ich habe den Eindruck, dass er sein Leben lang auf diese Gelegenheit gewartet hat.
    »Faschist«, sage ich und bin nicht sicher, ob er etwas damit anfangen kann.
    Das Resultat jedenfalls ist eine weitere Ohrfeige, die er in mein Gesicht appliziert.
    »Sie ist in der Hütte«, mischt Daniela sich ein, »es geht ihr gut.«
    »Jetzt werden hier ganz andere Saiten aufgezogen«, sagt der Lehrer erneut mit einem euphorisch schwellenden, drohenden Ton, der ihm tief aus den Eingeweiden aufzusteigen scheint. Er wendet sich zur Wand des Raumes um und hat kurz darauf eine Eisenstange in der Hand. Der Bürgermeister legt ihm die Hand auf den Arm und tritt vor mein Gesicht.
    »Herr Lazyboy«, sagt er mit höflicher Stimme. »Lassen Sie mich einmal versuchen zu beschreiben, was wir von Ihnen erwarten und warum wir von Ihnen enttäuscht sind, ja?«
    Er schaut nicht nur mich nach Zustimmung heischend an, sondern fängt kurz jedes Augenpaar im Raum mit seinen Blicken ein und den Lehrer etwas länger, Politiker. Er wischt sich eine blonde Strähne mit sehr langen Fingern aus der Stirn, Klavierspielerfingern.
    »Dank Ihrer Bemühungen wissen wir ja nun, dass die Stimmung auf der anderen Seite der Stadt recht positiv zu sein scheint.

Weitere Kostenlose Bücher