Lea - Untermieterin bei einem Vampir
Tom“, sagte ich freundlich.
„ Hey“, erwiderte er mehr mechanisch als grüßend.
Er sah aus, wie der sachliche Vampir, den ich von Geldangelegenheiten kannte. Oder von so vielen anderen Situationen, in denen wir nüchtern ein paar Dinge geregelt hatten. So oft hatte ich dieses Gesicht schon gesehen und ich begann mich zu fragen, wie oft es eigentlich die unberührte Fassade gewesen war, die er nun vortäuschte. War das seine Miene, wenn er seine Gefühle vor mir zu verbergen suchte? Das gab mir zu denken. Ich hatte diesen Ausdruck schon sehr früh an Tom bemerkt. Hatte ich ihm vom ersten Tag an gefallen? Hatte er schon so zeitig nach Abschluss unseres Mietverhältnisses begonnen, Gefallen an mir zu finden? All diese Wochen und Monate hatte ich vermutlich völlig falsch geglaubt, dass Tom ein rationaler Typ war, der alles strikt regelte. Ich ahnte, dass er schon oft seine Zuneigung vor mir versteckt haben musste. Ach Tom.
Es fiel mir schwer, ihn nicht einfach tröstend zu umarmen. Welchen Trost hätte ich ihm auch geben können? Tom ich mag dich, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dich jemals will. Wohl eher kein schmerzlindernder Satz. Dann sah ich die DVD und musste lächeln.
„ Hat Megan dir etwa unsere Telenovela geschenkt?“, fragte ich ihn nun.
Dieses scheußliche Geschenk verdankte er schließlich mir. Vielleicht könnte ich ihn damit aufheitern. Sein Blick heftete sich auf das Cover von Sturm der Herzen. Er betrachtete es ein paar Sekunden, als würde er erst jetzt merken, dass es da war und nickte dann.
„ Tut mir leid“, sagte ich und langsam sah Tom mich an. „Na weil du dieses furchtbare Geschenk durch mich bekommen hast“, erklärte ich mit reumütigem Lächeln.
„ Ach das.“
Sein Blick trübte sich wieder. Offensichtlich hatte er auf eine andere Art von Zugeständnis gehofft. Da wir Freunde waren, schon auf der Couch miteinander gekuschelt und gestern einen lustigen Abend mit einem Geburtstagskuss geteilt hatten, legte ich meine Hand auf seine Schulter, als ich sagte: „Ich treffe mich schnell mal mit Kyle.“
Toms Blick zeigte keine Regung, doch ich spürte, wie sich sein Körper unter meiner Berührung anspannte.
„ Sicher“, sagte er mit gleichgültiger Stimme. Ich wusste, dass er diese Nonchalance genauso vortäuschte wie ich. „Lea, wegen gestern Abend...“
„ Können wir später reden, Tom?“, unterbrach ich ihn.
Bevor ich mich in irgendeiner Form über gestern mit ihm unterhielt, musste ich erst einmal Ruhe bei Kyle finden. Ich wusste nicht, was er sagen wollte, aber immerhin hatten wir doch einen fröhlichen Tanzabend mit einem weiteren Kuss verbracht – zumindest laut meiner Erinnerung nur dem Geburtstagskuss, doch Tom wusste es besser. Er wusste nur nicht, dass ich es auch besser wusste. Doch auch in meiner offiziellen Erinnerung war der Abend nicht gleichgültig verlaufen. Ich hatte mich für mein gemeines Verhalten bei ihm entschuldigt, hatte ihm zugestanden, dass mir der gemeinsame Fernsehabend sehr gut gefallen hatte, ich war eng tanzend in Toms Armen gelandet, hatte ihn schließlich zum Trinken eingeladen und ihn aufgefordert, mich zu berühren. Ich hatte meine Hände um seinen Hals geschlungen. Ich hatte vor ihm zugegeben, dass ich ihn sehr gern mochte und ständig ans Küssen denken müsste. Und dieser einzelne Geburtstagskuss war auch mehr als eine flüchtige Umarmung gewesen.
Es war nicht so verfänglich, wie das, was später gefolgt war. Weder kam es dem heißblütigen Kuss an der Säule nahe, noch der Tuchfühlung, auf die wir gegangen waren und schon dreimal nicht meinem Betteln, dass er es mir besorgen sollte. Ich musste mir Toms nackten, pumpenden Hintern zwischen meinen Beinen vorstellen und konnte nicht verhindern, dass sich meine Wangen röteten. Schnell setzte ich ein Lächeln auf und blinzelte kurz. Doch Toms Augen wurden schmal, irritiert und überrascht hatte er meine Verlegenheit zur Kenntnis genommen und fragte sich wohl nun, was ich dachte.
„ Kyle muss sonst auf mich warten. Ich bin eh schon spät dran“, erklärte ich schnell, als ich davon hastete.
„ Lea“, meinte Tom verständnislos.
„ Bis später“, sagte ich über meine Schulter hinweg und winkte ihm kurz. „Tschüs.“
Ich stolperte in meine Flipflops, grapschte nach meinem Rucksack und war zur Tür hinaus. Als wäre es mein rettender Strohhalm, zog ich von außen am Knauf bis das Schloss einrastete und lehnte mich eine kleine Weile schwer atmend gegen das Holz im
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