Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)
hatte sie mit dem Foto von Viktor Speer, das Kaufmans Bekannte aus dem Akademiesekretariat ihm gemailt hatte, zu Frau Föglein geschickt.
Thal wollte Bettina Berg bitten, die Tagesereignisse zusammenzufassen, als sein Handy klingelte. Er hörte konzentriert und schweigend zu. Als er aufgelegt hatte, wandte er sich an die Runde.
»Das war Stephanie. Die Zeugin hat Viktor Speer eindeutig als den Mann identifiziert, der gestern drei Paar Damenstrümpfe gekauft hat. Frau Föglein hat sich auch die Strümpfe angesehen, die wir bei Catrin Scheffel und dem heutigen Opfer sichergestellt haben. Es ist die gleiche Marke, Qualität und Größe. Ob es dieselben sind, kann sie natürlich nicht sagen.«
»Also ist Speer unser Mann!«
Adrian Gerth schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Nun beruhige dich mal, Adrian.«
Wagner war der Einzige, der Gerth duzte.
»Wir wissen nur, dass er die Strümpfe gekauft hat. Die Frauen können ihn nicht identifizieren. Sie haben einen totalen Blackout.«
Wagner hatte recht. Andererseits war Speer die einzige Spur, die sie hatten, und der würden sie mit aller Kraft folgen. Thal hatte vor einer halben Stunde mit Schober telefoniert. Er bewilligte einen Großeinsatz. Alle verfügbaren Polizisten klapperten in den nächsten Stunden die Hotels und Pensionen der Stadt ab. Wenn Speer irgendwo abgestiegen war, würden sie ihn finden. Bettina Berg verteilte Listen mit Hotelnamen und Fotos des Studenten. Wie üblich würden sie zu zweit unterwegs sein, jedes Pärchen hatte vier Hotels oder Pensionen aufzusuchen. Das müsste in der nächsten Stunde zu schaffen sein.
Die Adressen, die Berg und Thal aufzusuchen hatten, lagen nah beieinander in der Innenstadt und waren am besten zu Fuß zu erreichen. Sowohl im Hotel Zeppelin als auch im Barbarossa und im Bayerischen Hof kannten die Portiers den Mann auf dem Foto nicht. Ein Blick in die Gästelisten brachte auch nichts. Als sie ihr nächstes Ziel in Richtung Bahnhof ansteuerten, fragte Thal:
»Hast du jemals von dieser Pension Simone gehört?«
Bettina Berg schüttelte den Kopf. Nach einer weiteren schweigend verbrachten Minute standen sie vor einem grau verputzten, vierstöckigen Bau. Der einzige Hinweis auf die Pension war ein neben der Tür angebrachtes, leicht verwittertes, unauffälliges Schild: »Pension Simone. 3. Stock«. Die schwere Eingangstür war nicht verschlossen. Sie stiegen die Treppe hinauf, die ausgetretenen Stufen waren mit Linoleum belegt, auf dem ab dem zweiten Stock ein abgewetzter, dunkelroter Teppich auf die Pension hindeuten sollte. An der Wohnungstür im dritten Stock hing erneut ein Schild: »Rezeption – bitte klingeln.«
Thal folgte der Aufforderung, doch es rührte sich nichts. Erst nach dem dritten, wesentlich ausdauernden Schellen hörten sie schlurfende Schritte und eine rauchige Stimme.
»Ja, ja! Ich bin ja schon unterwegs.«
Ein sehr kleiner und sehr dünner Mann öffnete die Tür. Er trug einen viel zu großen, grauen Anzug – passend zur Farbe seiner Haut. Um den Mund zogen sich tiefe Falten, die dem Gesicht einen kranken und leidenden Ausdruck gaben. Bevor sich die Polizisten vorstellen konnten, sagte er:
»Tut mir leid, aber wir haben nur noch zwei Einzelzimmer.«
Er drehte sich ab und wollte die Tür schließen.
»Moment!«
Thal ergriff die Tür, stellte sich vor, zog das Foto aus der Tasche und hielt es dem Nachtportier vors Gesicht. Der nestelte daraufhin ein abgegriffenes Brillenetui aus der Hosentasche. Als er die Brille aufgesetzt hatte, nahm er das Bild und hielt es sich fast direkt vor die Augen.
»Ja, den kenn’ ich.«
»Ist er ein Gast?«, fragte Thal weiter.
»Er war einer.«
»Was heißt war?«
»War heißt war.«
Bettina Berg verlor die Geduld.
»Guter Mann, jetzt sagen Sie uns endlich, was Sie wissen.«
Der Portier nickte.
»Nun reden Sie schon«, polterte Bettina. »Ist er noch da?«
»Habe ich doch gesagt. Er war da. Bis vor etwa zwei Stunden. Ich hatte gerade meine Schicht angefangen. Da kam er und meinte, er müsse abreisen. Geschäfte!«
»Und dann hat er sein Zimmer geräumt?« Thal war die Enttäuschung anzumerken.
»Ja. Hatte eh nicht viel dabei, der Herr Braasch.«
Als sie wieder auf der Straße standen, schwiegen sie einen Moment und setzten sich langsam in Bewegung.
»Das ist noch kein Beweis, Alex.«
»Ich weiß, Bettina. Aber warum sonst sollte Viktor Speer Leahs Nachnamen benutzen? Er ist unser Fotograf, und er kopiert auf seine perverse Art Leahs
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