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Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)

Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)

Titel: Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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schwer verständlich.
    »Wie sollte ich mich nicht erinnern?«
    Sie sprach die Worte in der absolut gleichen Tonhöhe, als wäre sie unbeteiligt.
    Bettina nahm Speers Foto in die Hand und hielt es mit beiden Händen vor das Gesicht der jungen Frau, das sich binnen Sekunden zu einer hasserfüllten Grimasse veränderte. Mandy Kleiber stützte sich auf den linken Ellbogen, hob den Oberkörper und beugte ihn über den Bettrand in Richtung des Bildes. Eine Sekunde verharrte sie in dieser angespannten Position, als wolle sie alle ihre Kräfte sammeln. Dann holte sie tief Luft und spuckte.
     
     
    ***
     
     
    Die Musik kam näher. Der Umzug würde in wenigen Minuten die »Laube« erreichen, jene vierspurige Straße, die Teil des Rings um die Altstadt war. Thal nahm sein Handy und wählte die Nummer des Einsatzleiters, der sich sofort nach dem ersten Klingeln meldete.
    »Alles klar?«
    »Ja, Herr Hauptkommissar. Alle Mann auf ihren Plätzen.«
    Thal steckte das Handy in die Tasche. Er nickte Bettina Berg zu, die keinen Meter von ihm entfernt stand. Sie betrachtete eine Kopie des Konstanzer Innenstadtplans. Etwa alle hundert Meter waren auf den Hauptverkehrsstraßen und Gassen, durch die der Fastnachtsumzug zog, Nummern eingezeichnet. Jede Nummer kennzeichnete den Standort von zwei Polizisten, uniformiert oder in Zivil. Alle trugen Viktor Speers Foto bei sich. Die Anweisung bei der kurzen Lagebesprechung vor einer Stunde war eindeutig gewesen: Sollte jemand Speer entdecken, war er unverzüglich festzunehmen. Dabei war der Eigensicherung und dem Schutz der Zuschauer höchste Priorität einzuräumen.
    Obwohl er sich das Bild in den letzten Stunden zigmal angesehen hatte, starrte Thal erneut auf Speers Gesicht. Unscheinbar sah er aus mit seinem dünnen, über die Ohren reichenden Haaren. Die Nase war leicht gebogen, die Augen standen weit auseinander, die Lippen waren dünn und auf dem Foto zu einem angedeuteten Lächeln gekräuselt. Ein Allerweltsgesicht. Trotzdem kam es ihm vor, als habe er ihn schon einmal gesehen.
     
    Auch Alexander Thals und Bettina Bergs Standort war auf dem Stadtplan eingezeichnet. Die Nummer 21 befand sich auf der Laube in Höhe des Stephansplatzes. Hier standen die Zuschauer nicht so dicht wie in manchen umliegenden Gassen oder auf dem Fischmarkt, obwohl bei herrlichem Sonnenschein zehntausend Menschen trotz der Kälte auf den Beinen waren.
    Die Ho-Narro-Rufe kamen näher, der dem Zug vorausfahrende Einsatzwagen der Polizei war bereits zu sehen. Die Stimmung wurde ausgelassener, die Menschen hakten sich beieinander ein und begannen, auf die Melodie des ersten Spielmannszuges zu schunkeln. Fast alle Zuschauer einschließlich der kleinsten in ihren Kinderwagen waren verkleidet. Zum Teil trugen sie die aufwendigen Kostüme der traditionellen Fastnachtszünfte, genauso oft sah man einen Scheich mit seiner Salome oder einen umherstolzierenden Gockel. Thal registrierte mit einem Schmunzeln, dass auch Sheriffs und Indianer keineswegs aus der Mode waren. Im Münsterland seiner Kindheit gab es fast keine anderen Verkleidungen, aber die Westfalen verstanden ja auch nichts von der Fastnacht.
    Der Zug kam bereits nach wenigen Minuten zum Stillstand. Direkt vor ihnen trieb eine Gruppe von Altstadthexen ihr Unwesen. Sie griffen sich ein Mädchen am Straßenrand, steckten es in eine Art Trichter und schnürten ihr Opfer in ein Netz, mit dem sonst Weihnachtsbäume zusammengebunden wurden. Anschließend trugen sie ihr kreischendes, bewegungsunfähiges Opfer auf der Schulter durch die Gegend. Ein paar Hundert Meter weiter stellten sie die Wehrlose auf einer Mülltonne oder einem Fenstersims ab.
    Bettina Berg fasst Thal am Arm.
    »Ist dir auch so kalt?«
    Er nickte.
    »Ich hole uns einen Punsch.«
    Mit dem Kopf wies sie auf einen kleinen Verkaufswagen hinter sich.
    »Gute Idee.«
    Zu dieser frühen Zeit war an dem Stand noch nicht viel Betrieb. Bettina Berg kam sofort an die Reihe. Thal beobachtete, wie sie die beiden Styroporbecher voll dampfendem Kinderpunsch von der Theke nahm. Als sie sich umdrehte, rempelte sie ein Mann im Bärenkostüm an. Obwohl er es wegen des Lärms ringsherum nicht hören konnte, erkannte Thal, das Bettinas Lippen das Wort »Idiot« formten. Der Bär entschuldigte sich gestenreich, strich Bettina mehrmals über den Arm und trollte sich. Bettina lächelte schon wieder. Sie überreichte Thal das heiße Getränk, der sich daran zunächst die Finger wärmte.
    Der Zug setzte sich wieder in

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