Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
ging so schnell. Er hat mich
derart angerempelt, dass ich fast hingefallen wäre. Als ich mich wieder gefasst
hatte, war er schon verschwunden.«
»Ist etwas bei euch gestohlen worden?«
»Nein, nur der Wohnzimmerschrank mit unseren Aktenordnern stand
offen. Da muss ich den Einbrecher wohl gestört haben.«
»Nur der Aktenschrank, sonst nichts?«
Eiken schüttelte den Kopf.
»Das heißt«, schlussfolgerte Lena, »dass auch dieser Einbrecher
gezielt gesucht und sich bei euch ausgekannt hat. Ist das Türschloss kaputt?«
»Nein. Das ist ja so ein altes Schloss, das man mit jedem
Dietrich öffnen kann. Der Mann von der Versicherung hat oft gedroht, dass er im
Falle eines Diebstahls von Bildern nicht zahlen würde, weil wir keine
vernünftigen Sicherheitsvorkehrungen haben, aber Großvater ist da stur. Bei uns
auf der Insel passiert so etwas nicht, sagt er, da brauchen wir keine
Sicherheitsschlösser und Riegel.«
»In dem Glauben solltest du ihn vielleicht auch lassen«,
überlegte Leander. »Sag ihm nichts von dem Einbruch, sonst kriegt er noch einen
Herzinfarkt. Lass die Schlösser aber in der nächsten Woche austauschen. Du
kannst es ja auf die Forderungen der Versicherung schieben.«
»Was können die denn gesucht haben?«, fragte Lena nun. »Ich
meine, es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet in diese Häuser eingebrochen
worden ist.«
»Das muss mit unserem Thema zu tun haben«, vermutete Leander
und stocherte den Kamin an. »Wir haben irgendjemanden aufgescheucht, der nun
wissen will, was wir in der Hand haben. Oder dieser Jemand sucht etwas, von dem
er weiß, dass es sich im Besitz der alten Männer befindet. Vermutet hat er es
zuerst bei Hinnerk, und als er da nichts gefunden hat, hat er gedacht, es sei
bei Wilhelm Jörgensen. Es muss sich um etwas Schriftliches handeln, ein
Dokument oder so, deshalb war er nur an den Aktenordnern. Was haben wir denn
inzwischen herausgefunden, das diesem Jemand gefährlich werden könnte?«
»Das wissen wir doch selber nicht«, wandte Eiken ein.
»Zumindest wissen wir jetzt, dass wir nicht spinnen und
wirklich etwas nicht stimmt. Lasst uns überlegen, was das sein kann.«
»Ich nicht mehr«, sagte Lena und gähnte. »Seid mir nicht böse,
aber ich kann heute keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich gehe jetzt ins
Bett.«
»Lena hat recht«, stimmte Eiken ihr zu. »Ich gehe jetzt auch.
Mir reicht’s für heute.«
»Komm doch wieder zum Frühstück«, meinte Lena. »Dann sprechen
wir die Sache in Ruhe durch.«
Eiken erhob sich, nickte zustimmend, grüßte kurz mit der Hand
und verschwand durch den Flur und die Haustür.
Frauen!, dachte Leander, war aber insgeheim auch froh, dass er
bald ins Bett kommen würde, und folgte Lena hinauf, nachdem er die Haustür
abgeschlossen und auch die Tür zum Garten noch einmal überprüft hatte.
15
Montag, 29. Dezember
Als Leander, Lena und Eiken beim Frühstück saßen und die
Vorfälle des vergangenen Tages diskutierten, klingelte das Telefon. Leander war
nicht wenig erstaunt, als sich der Anrufer mit »Hauke Petersen« meldete.
»Herr Leander«, begann er, »ich dachte mir, es könnte nicht
schaden, wenn ich Ihnen hier auf der Insel ein bisschen Starthilfe leiste, ich
meine, da Sie ja länger hierbleiben wollen. Deshalb möchte ich Sie zu meiner
Silvesterparty einladen. Es kommen alle, die hier auf der Insel einen Namen
haben, also genau die Leute, die Sie kennenlernen sollten.«
»Ich habe zur Zeit Besuch«, wandte Leander ein, aber Petersen
ließ ihn nicht ausreden.
»Ich weiß, ich weiß, Ihre Freundin aus Kiel ist da. Bringen Sie
sie mit, das ist doch selbstverständlich. Meine Frau würde sich übrigens
ebenfalls freuen, Sie kennenzulernen. Und was mich angeht: Wenn Ihr Herr Vater
seinerzeit nicht weggezogen wäre, wären wir sicher enge Freunde geblieben. Was
spricht dagegen, wenn wir beiden das nun nachholen?«
Leander verschlug es die Sprache angesichts einer derartigen
Anbiederung, die der Rechtsanwalt und Notar doch gar nicht nötig hatte. Das
sahen auch Lena und Eiken so, als Leander ihnen von dem Telefonat berichtete.
»Da stellt sich doch die Frage: Was will er von dir?«, fragte
Eiken. »Sei bloß vorsichtig, denn ohne einen Hintergedanken verschenkt ein
Petersen nichts, und er gibt auch niemandem Starthilfe, wenn er sich davon
nicht etwas verspricht. Glaub mir, ich kenne die Sippe.«
»Das werden wir ja dann erfahren«, antwortete Leander.
»Außerdem bin ich durch das Erbe an der Immobilienfirma
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