Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
müssen.«
»Vielleicht ist Ihnen beim Abnehmen mein Schlüssel heruntergefallen,
und Sie haben ihn versehentlich wieder an den falschen Haken gehängt«,
vermutete Leander, der langsam grimmig wurde, weil ihn die alte Frau mit so einem
Zeug belästigte.
»Ist er aber nicht«, beharrte sie und verkniff ihr Gesicht
wieder derart, dass sie wie ein Waran aussah.
»Moment«, lenkte Lena nun ein. »Was wollen Sie eigentlich damit
sagen? Bei Ihnen hat jemand eingebrochen und die Schlüssel umgehängt?«
»Mein Gott«, wetterte Frau Husen jetzt. »Sie sind doch
Kommissare, oder nicht? Wenn jemand bei mir einbricht und nichts stiehlt, dann
muss er es auf etwas anderes abgesehen haben. Und wenn dann Ihr Schlüssel
falsch hängt, dann hat er ihn doch wohl gebraucht und danach wieder falsch
zurückgehängt!«
»Jetzt verstehe ich!«, rief Leander.
»Das wird aber auch Zeit«, schimpfte Frau Husen.
»Sie meinen, jemand wollte eigentlich bei mir einbrechen, aber
weil ich nichts davon merken sollte, hat er sich bei Ihnen heimlich den
Schlüssel besorgt, in der Hoffnung, dass Sie den Einbruch nicht so leicht
bemerken wie ein Kriminalkommissar.«
Frau Husen nickte heftig und hielt nun offenbar jedes weitere
Wort für überflüssig, nachdem Leander alles so wortreich erklärt hatte.
»Dann muss er gewusst haben, dass Sie den Schlüssel
aufbewahren«, folgerte Lena. »Er muss also von der Insel sein und die
Verhältnisse gut kennen.«
Leander stutzte einen Moment und eilte dann durch den Flur ins
Wohnzimmer. Hier sah alles aus wie immer. Also lief er die anderen Räume ab,
auch den Schlafraum im Obergeschoss, konnte aber nichts Auffälliges entdecken.
Schließlich ging er zurück in die Wohnstube und öffnete die Stahlkiste.
»Nichts«, erklärte er nach einem kurzen Blick hinein.
»Jedenfalls scheint nichts zu fehlen. Ob jemand die Unterlagen durchsucht hat,
kann ich natürlich nicht feststellen. Es scheint alles so zu sein, wie ich es
verlassen habe.«
»Dann ist ja gut«, sagte Frau Husen. »Ich geh dann wieder.«
»Haben Sie den Einbruch gemeldet?«, fragte Lena.
»Wozu?«, winkte Frau Husen ab. »Es ist ja nichts gestohlen
worden. Bei mir gibt es ja auch nichts zu holen.«
»Schließen Sie jedenfalls heute Abend gut ab, und lassen Sie
den Schlüssel von innen stecken«, riet Leander. »Und wenn Sie doch noch etwas
feststellen sollten, geben Sie mir Bescheid.«
»Vielleicht hat der Einbrecher auch nur einen Abdruck von dem
Schlüssel gemacht und ist gar nicht in deinem Haus gewesen«, überlegte Lena
jetzt laut. »Dann musst du unbedingt morgen das Schloss auswechseln lassen.«
Frau Husen, die sich bereits abgedreht hatte, stutzte nun und
wandte sich wieder Leander zu.
»Verstehen Sie mich bitte jetzt nicht falsch, aber waren Sie
heute Nachmittag zu Hause?«
»Nein, wir waren draußen am Deich bei Eiken Jörgensen, warum?«
»Ich habe bei Ihnen
geklopft, aber Sie haben nicht geöffnet.«
»Kunststück, wie ich Ihnen eben erklärt habe …«
»Ja ja, ich weiß. Aber es war jemand hier im Haus. Ich habe
Geräusche gehört und gedacht, Sie wollten einfach nur Ihre Ruhe haben.«
»Das ist dann endgültig der Beweis dafür, dass jemand hier mit
deinem Schlüssel eingebrochen ist«, stimmte Lena Frau Husen zu.
Frau Husen wandte sich ab und verließ das Haus grußlos, und
Leander verschloss die Tür hinter ihr so, wie er es der alten Frau soeben
geraten hatte. Bevor sie jedoch über das Vorgefallene reden konnten, klopfte es
schon wieder. Leander schloss auf und fand eine ziemlich beunruhigte Eiken vor.
»Entschuldigt, dass ich so spät noch störe, aber bei uns ist
eingebrochen worden.«
»Bei euch auch?«, fragte Lena fassungslos.
Leander bat Eiken ins Wohnzimmer und legte ihr mit wenigen
Worten dar, was vorgefallen war. Dann berichtete Eiken, was sie vorgefunden
hatte.
»Ich habe meinen Großvater zu Ocko gebracht und die Gelegenheit
genutzt, die beiden Alten etwas auszufragen. Irgendwie sind die zur Zeit
hellhörig. Jedenfalls waren sie sofort misstrauisch und haben absolut nichts
erzählt. Als ich dann wieder nach Hause gegangen bin, stand die Haustür etwas
offen, nur einen Spalt. Ich habe sie aufgestoßen und gerufen, aber alles war
ruhig, und als ich dann vorsichtig ins Haus gegangen bin, ist jemand aus dem
Dunkeln direkt an mir vorbei nach draußen gerannt.«
»Hast du ihn erkannt?«, fragte Leander und wusste im selben
Moment, dass die Frage überflüssig war.
»Nein, es war ja dunkel, und alles
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