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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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dem Kleinen Versteck . Metzger Friedrichs schräg
gegenüber bot Gläser mit hausgemachter Leberwurst und gekochtem Mett an, und da
Leander hungrig war, kaufte er gleich beides.
    An diesem Abend kam ihm sein Haus weniger einladend und
gemütlich vor. Eine fast greifbare Distanz hatte sich zwischen Leander und
seinem neuen Domizil aufgebaut, seit er ahnte, unter welchen historischen
Bedingungen sein Großvater in den Besitz gelangt war. Während er an seinem
Küchentisch zu Abend aß, bereute er schon, dass er das Erbe so vorschnell
angenommen hatte. Anderenfalls allerdings wäre es in den Besitz seiner Kinder
oder des Staates übergegangen, wenn er es ausgeschlagen hätte, und ob ihm eine
dieser Varianten lieber gewesen wäre, wusste er so einfach nicht zu
beantworten.
     
    Pünktlich um neunzehn Uhr dreißig stand Leander in der
Mühlenstraße vor dem Kleinen Versteck und staunte nicht schlecht.
Es handelte sich, genau wie Eiken gesagt hatte, um eine ehemalige kleine Kirche
mit einer Glocke, die in einer Aussparung der turmartigen Giebelspitze hing.
Über dem Kirchenportal schaukelte ein Kneipenschild mit dem Namen des Lokals
und einem Bild von drei Piraten, die zechend und Karten spielend auf wackeligen
Stühlen um einen Tisch herum saßen. Einer der Piraten mit einer Kapitänsmütze,
einer Augenklappe und einem Papagei auf der Schulter hatte gravierende Ähnlichkeit
mit dem Priester, den Leander beim Preisskat kennengelernt hatte. Mephisto
bediente offenbar gerne Klischees in alle Richtungen. In Bayern wäre er dafür
vor die Inquisition gekommen, von Rom gar nicht zu reden, zumal da seit einigen
Jahren der ehemalige Chef der Inquisition, die heutzutage Glaubenskongregation hieß, als Papst sein Unwesen trieb, ein Deutscher noch dazu – ein Bayer,
versteht sich.
    Leander zog das schwere eichene Kirchenportal auf und trat in
einen Gastraum, der architektonisch eindeutig eine Kirche war, mit einer hoch
gewölbten Decke und einem Altarbereich, auf dessen Sockel nun die Theke untergebracht
war. Welchem Götzen hier gehuldigt wurde, war eindeutig. Im vorderen Bereich,
in dem üblicherweise Kirchenbänke stehen, standen jetzt Tische und Stühle, und
an den Wänden war der Gastraum statt mit Heiligenbildern und -statuen mit
Fischernetzen und anderem nautischen Kram behängt. Ein schwerer Dunst aus
abgestandenem Rauch und Biergeruch erfüllte den Raum fast noch aufdringlicher
als das Stimmengewirr, das im hohen Kirchenschiff hallte. Leander hatte Mühe,
die Geräusche und Stimmen voneinander zu trennen, und so standen seine Nerven
von Anfang an unter Dauerbeschuss – ein Handicap, das er seit seinem Hörsturz
nicht wieder losgeworden war.
    In einer aus gespannten Fischernetzen abgetrennten Nische
rechts vom Eingang fand Leander die Skatbrüder – drei an der Zahl und heftig
diskutierend um einen runden Tisch verteilt. Er hängte seinen Mantel an die
Garderobe und ging zu ihnen hinüber.
    »Ah, da ist er ja«, begrüßte der Priester, der heute zivile
Kleidung trug, ihn lautstark. »Gerade habe ich von Ihrem ersten
Preisskat-Erlebnis erzählt. Die beiden Pfarrerstöchter hier« – er zeigte
abwechselnd auf die beiden grinsenden Männer zu seinen Seiten – »sind mit Ihnen
einer Meinung, dass man derartige Veranstaltungen besser meiden sollte. Ich
hingegen finde, dass man Preise, die einem so leicht in den Schoß fallen, nicht
ablehnen sollte.«
    »Mephisto würde auch einen Kuhfladen freudig annehmen, wenn er
nur umsonst wäre«, flachste der etwa fünfunddreißigjährige Mann zu des
Pseudo-Priesters Linken.
    Er hatte einen zauseligen Vollbart und eine wallende blonde
Mähne, die sich auf seine Schultern ergoss.
    »Tom Brodersen«, stellte er sich vor und erhob sich, um Leander
die Hand zu reichen.
    »Tom quält hauptberuflich kleine Kinder an unserem Gymnasium,
aber nur vormittags, denn er ist ein vorbildlicher Beamter, der nicht mehr
arbeitet, als er unbedingt muss, und deshalb hat er nachmittags frei«,
stichelte Mephisto.
    »Außerdem wühlt er gern in alten Büchern«, ergänzte der dritte
Mann die Vorstellung und erhob sich seinerseits, um Leander die Hand zu
schütten. »Götz Hindelang. Ich bin der kreative Geist in dieser ansonsten
künstlerisch sehr unerquicklichen Runde aus Paukern und Pfaffen.«
    »Sie sind Maler, nicht wahr?«, begrüßte Leander ihn. »Ich habe
Ihr träumendes Wrack gesehen, in der Kanzlei Ihres Mäzens.«
    »Mäzen?«, brüllte Hindelang und lachte donnernd auf. »Mäzen!
Das ist gut!

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