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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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wiederholten, und konnte sich
schnell darauf einstellen. Klopfte Mephisto anfangs noch nach jedem Spiel, das
Leander verlor und bezahlen musste, Sprüche wie »Jaja, so spielt man mit
Studenten!« oder »Mach dir nichts draus, du bist ja noch jung, du lernst das
schon noch!«, so wendete sich bald das Blatt, und Leander gehörte so manches
Mal zu den Kassierern. Bei alldem wuchs der Pott, bei dem es sich um eine
friesenblaue Tonschale handelte und der in der Mitte des Tisches stand wie ein
Opferstock, mächtig an.
    Kurz vor dem Ende der Ramschstunde kassierte Leander von jedem
Mitspieler achtundvierzig Cent, weil er einen Durchmarsch mit Kontra und Re
gewonnen hatte.
    »Das Glück ist eine wechselhafte Braut«, dozierte Mephisto
lakonisch.
    »Was weißt du schon von Bräuten, Pfaffe? Du durftest sie dir ja
immer nur anschauen«, warf Brodersen ein.
    »Und auch das nur sehr keusch«, ergänzte Leander.
    »Immerhin habe ich täglich wechselnde Bräute im Beichtstuhl
gesehen, während du jahrein, jahraus immer nur deinen alten Eheknochen zu
Gesicht bekommst«, entgegnete Mephisto an Brodersen gewandt.
    »Sei doch froh, dass noch jemand auf das hört, was ihr Pfaffen
predigt«, wandte der ein.
    »Fürwahr, fürwahr«, stimmte Mephisto ihm überraschenderweise zu
und teilte die Karten aus. »Zumal man als katholischer Priester in der norddeutschen
Enklave über jedes Schäfchen froh sein muss, das den wahren Worten des Herrn
folgt und nicht dem Geschwätz der Lutheraner.«
    »Und während er derart salbungsvoll vor sich hin schwafelt,
heckt er gleich wieder die nächste Schweinerei aus«, beschwerte sich der Maler
über seine Karten. »Wasch dir gefälligst die Hände, bevor du gibst, elender
Gottesknecht.«
    Mephisto hatte sichtlich
Spaß an den ketzerischen Wortspielen und lehnte sich genüsslich zurück, um aus
hellwachen Äuglein links und rechts in die Karten zu schauen. Leander stieß ihn
unter dem Tisch an und signalisierte mit zwei Fingern, dass er wieder einen
Durchmarsch plane und wissen wolle, ob die beiden fehlenden Bauern von Herz und
Pik verteilt waren. Mephisto, der erfreulicherweise sofort verstand, nickte
unauffällig und schloss dabei beruhigend die Augen. Folglich sagte Leander auf
den sicheren Durchmarsch Kontra an.
    Leander, der kein Karo hatte, musste nach Brodersens Aufspiel
sofort mit dem Karo-Buben stechen, was aber kein Problem darstellte, da er ja
mit seinem Kreuz-Buben die beiden restlichen Bauern ziehen und dann das saubere
Blatt herunterspielen konnte. Entsprechend spielte er den Buben auf, nur lief
die Sache nicht wie geplant: Der Maler bediente mit dem Herz-Buben, Brodersen
warf das Karo-Ass hinein.
    »Ich habe Bauern gefordert«, erinnerte Leander den Lehrer.
    »Jaja, ich weiß«, entgegnete der, und Leander begriff, dass
Mephisto ihn gelinkt hatte.
    Der schaute geradezu unbeteiligt aus harmlosen Augen auf den
Spielverlauf, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Leander zog eine Karte
seiner langen Farben nach der anderen und bekam alle Stiche bis auf den
letzten, den Hindelang mit seinem Pik-Bauern übernahm. Damit war der
Durchmarsch gescheitert, und Leander hatte fast hundert Augen, was besonders
schmerzlich war, da Brodersen auch noch Jungfrau geworden war und die Punkte so
zusätzlich zu der Kontra-Verdoppelung durch Leanders Ansage noch einmal verdoppelt
wurden.
    »Du hast doch gesagt, dass die Bauern verteilt seien«, beschwerte
sich Leander bei Mephisto.
    Der zuckte nur ungerührt mit den Schultern und verkündete: »Na
und, ich habe gelogen.«
    Brodersen lachte und Hindelang klopfte Leander auf die Schulter.
    »Trau keinem Schwarzrock«, riet er. »Deren ganze Ideologie ist
auf einer einzigen Lüge aufgebaut: der Existenz eines wie auch immer
entstandenen Gottes. Wenn die schon im Großen bescheißen, wie kannst du da
erwarten, dass die im Kleinen ehrlich spielen?«
    »Moment«, protestierte der ehemalige Pfarrer. »Der Bulle wollte
euch das Fell über die Ohren ziehen und mir als Unbeteiligtem gleich mit.
Außerdem war er es, der euch mit seinen heimlich entsandten Zeichen bescheißen
wollte, und das muss ja wohl bestraft werden. Ich habe lediglich als
Stellvertreter einer höheren Gerechtigkeit für ebendiese gesorgt.«
    Er faltete die Hände vor der Brust und schloss scheinheilig die
Augen. Leander hätte ihn erwürgen können.
    »Da würde ich gar nicht erst dran denken, Mord ist eine
Todsünde«, sagte der Gottesmann in Leanders Richtung, hob mahnend den
Zeigefinger,

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