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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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Großvater hat mir im Sommer erzählt, sie hätten immer
schon viel fotografiert«, ging Leander dennoch auf Lenas Tonfall ein. »Ich habe
ehrlich gesagt die Hoffnung, dass Sie mir Fotos von ihm und seiner Frau Wencke
zeigen können. Wissen Sie, ich versuche so etwas wie ein Familiengefühl zu
entwickeln. Ich möchte gerne mehr über meine Großeltern erfahren und damit auch
über mich.«
    Ocko Hansen schien zu überlegen, ob er seine Besucher nicht
einfach wieder hinauskomplimentieren sollte, aber dann kam er offenbar zu dem
Entschluss, es im Guten zu versuchen. Sein Gesicht wurde offener und zeigte
sogar fast so etwas wie ein versöhnliches Lächeln.
    »Kommen Sie«, sagte er und zeigte mit dem Kopf auf die Tür zu
einem nach hinten angrenzenden Raum. »Heute ist ohnehin nicht viel los.«
    Er drehte sich um und trat durch die Tür, Leander und Lena
folgten ihm und fanden sich kurz darauf in einer Art Wohnküche wieder.
    »Tee?«, fragte Ocko Hansen und holte auf die Bestätigung seiner
Besucher hin Tassen aus einem Hängeschrank.
    »Wir haben hier oft gemeinsam gesessen und Grog getrunken, der
Hinnerk und ich«, erzählte der Fotograf und schenkte ihnen Friesentee ein. »Und
manchmal auch etwas Stärkeres.«
    »Sie müssen in all den Jahrzehnten gute Freunde gewesen sein«,
sagte Leander.
    Hansen nickte, öffnete ein Schränkchen und entnahm ihm ein
Fotoalbum, das er nun vor ihnen auf den Tisch legte und öffnete. Auf jeder
Seite waren zwei, manchmal drei Fotos mit Fotoecken eingeklebt, allesamt
schwarz-weiß. Zwischen den Seiten befand sich gelbliches, geprägtes
Seidenpapier als Schutz für die kostbaren Erinnerungen. Behände blätterte
Hansen durch das Album, denn er brauchte sich die Fotos kaum anzusehen, um zu
wissen, dass sie nicht die waren, die er zeigen wollte.
    »Hier«, sagte er schließlich
und hielt an einer bestimmten Seite inne. »Das sind Hinnerk und Wencke bei
ihrer Hochzeit.«
    Das Foto zeigte ein junges, strahlendes Paar, der Bräutigam im
dunklen Anzug, die Braut in einer prachtvollen Tracht.
    »Schau dir dieses wunderbare Kleid an«, schwärmte Lena. »Es
dauert doch bestimmt Stunden, so eine Tracht anzulegen.«
    »Alleine geht das gar nicht«, bestätigte Hansen. »Die
Brautmutter muss dabei mithelfen, und selbst dann ist man den ganzen Vormittag
damit beschäftigt.«
    »Ist der Schmuck aus Silber?«, fragte Lena, die nun wirklich
interessiert war und nebenbei den Zugang zu dem alten Mann so intensiv wie
möglich gestalten wollte.
    »Alles alter Familienschmuck«, bestätigte der Fotograf. »So
eine Tracht wird von Generation zu Generation weitergegeben. Allein der
Kettenschmuck über der Brust ist ein kleines Vermögen wert. Schauen Sie doch
mal auf dem Dachboden Ihres Hauses nach. Da steht eine große Kleiderkiste, wie
man sie früher in Kapitänshäusern als Schrank stehen hatte. In dieser Kiste hat
Hinnerk die komplette Tracht aufbewahrt.«
    Lena blickte Leander begeistert an, aber der hatte im Moment
keine Antennen für so etwas.
    »Die beiden sehen sehr glücklich aus«, sagte er stattdessen.
»Jetzt verstehe ich noch viel besser, welch ein schrecklicher Schlag Wenckes
Tod für meinen Großvater gewesen sein muss.«
    Ocko Hansen ging nicht auf das Thema ein, sondern blätterte
eine Seite weiter. Nun stand das Brautpaar vor der Kirche, flankiert von seinen
Trauzeugen.
    »Das müssen Wilhelm Jörgensen und Myrthe sein«, vermutete Lena.
»Mein Gott, ist das Mädchen hübsch.«
    »Sie war das schönste Mädchen auf der Insel«, stimmte Hansen
zu, »mit ihren langen schwarzen Haaren.«
    »Wilhelm Jörgensen hat erzählt, dass es Ihnen dreien gelungen
ist, ihr das Leben zu retten«, sagte Leander.
    »Ihr und vielen anderen, ja. Aber sie war die Erste. Keiner von
uns hätte zugelassen, dass ihr etwas geschieht. Nicht Myrthe.«
    »Sie selbst sind auf keinem Foto zu sehen«, stellte Lena fest.
    »Das Schicksal der Fotografen«, antwortete Hansen und lächelte
jetzt zum ersten Mal unvoreingenommen. »Von uns bleiben nur die Fotos, auf
denen andere zu sehen sind.«
    »Sie waren offensichtlich immer schon ein hervorragender
Fotograf«, sagte Leander und meinte es auch absolut ernst. »Den Fotos merkt man
an, dass sie mit Leidenschaft gemacht sind. Die Personen wirken fast wie
lebendig, nicht wie auf Papier gezogen. Das hat richtig Atmosphäre.«
    Ocko Hansen sah ihn einen
Moment durchdringend an, schien aber zu beschließen, ihm zu vertrauen. Er erhob
sich und ging zu dem Schrank zurück, aus dem

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