Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Beweis.«
»Sagen Sie mal, Herr Wiese, warum filmen Sie eigentlich die Jäger?«, zeigte sich Dieter Bennings verständnislos. »Sie fordern den Ärger doch nur heraus. Schließlich dürfen Jäger jagen, oder etwa nicht?«
»Doch, das dürfen sie; aber nur solange sie sehen können, worauf sie schießen. Wenn Sie die angeschossenen Tiere fänden und sich einmal ernsthaft damit auseinandersetzten, dass diese armen Viecher oft stundenlang leiden, bis sie endlich sterben, dann würden Sie mich verstehen. Ich bin Umweltschützer, und ich brauche Beweise, wenn ich denen das Handwerk legen will. Erst wenn die Filme im Internet stehen, kann niemand mehr leugnen, dass das alles passiert.«
»Gut, Herr Wiese. Die Schüsse auf Ihren Wagen können wir Paulsen nachweisen, das Abdrängen sicher auch, aber alles, was danach passiert ist, wird nur schwer nachweisbar sein. Außerdem steht gegen Sie der Vorwurf im Raum, Herrn Paulsen und seine Kollegen mit dem Auto attackiert zu haben. Ich hoffe für Sie, dass die Spuren am Tatort eine andere Geschichte erzählen, sonst sind am Ende noch Sie derjenige, gegen den Anklage erhoben wird.«
»Mensch, Wiese!«, wurde Lena nun persönlich. »Wie kann man denn so blöd sein, drei Jägern alleine aufzulauern? Sie brauchen sich gar nicht zu wundern, dass Sie in eine solch beschissene Situation geraten, wenn Sie sich so dämlich anstellen.«
Günter Wiese blickte sie zerknirscht an. Anstatt wütend zu werden, weil er in einem Satz gleich dreimal beleidigt worden war, schien das genau der Ton zu sein, der ihm klarmachte, welchen eigenen Anteil er an seiner Situation trug.
»Gut, Herr Wiese«, zeigte sich Lena versöhnlich, »wir sehen jetzt erst einmal, was wir an Spuren sichern können. Außerdem werden wir die drei Jäger in die Mangel nehmen. Vielleicht kippt ja einer um. Und wenn Sie wieder auf den Beinen sind, halten Sie sich ab sofort für einige Zeit zurück. Wenn Sie uns noch einmal in die Quere kommen, haben Sie nicht nur die Jäger gegen sich, ist das klar?«
Günter Wiese nickte. In diesem Moment klopfte es zaghaft an die Tür, und gleich darauf betrat Melf Albertsen das Krankenzimmer. Er grüßte verlegen mit dem Kopf, als er die beiden Kriminalbeamten sah, und steuerte dann direkt auf seinen Freund zu, um seine Hand zu ergreifen und für einen langen Moment nicht wieder loszulassen.
»Gute Besserung, Herr Wiese«, verabschiedete sich Lena und deutete Dieter Bennings mit einer Kopfbewegung an, dass sie nun gehen sollten. »Sie hören von uns.«
Draußen auf dem Flur stellte Lena fest: »Paulsen noch einmal zu vernehmen, macht keinen Sinn. Die Spusi soll sich auch Wieses Auto und den Tatort in der Marsch einmal genau ansehen. Vielleicht bekommen wir dadurch ein klareres Bild vom Tatverlauf. Jetzt suchen wir diese anderen beiden Hubertusjünger auf. Ruf doch bitte mal in der Zentralstation an und lass dir die Adressen von Ottensen und Frerich geben.«
Während sie das Krankenhaus verließen, erledigte Dieter Bennings den Anruf mit seinem Handy. Dann setzte er sich wortlos an das Steuer ihres Dienstfahrzeugs und lenkte es in Richtung Oldsum aus Wyk hinaus.
Heinz Baginski verließ Ronny Langes Praxis in der Mühlenstraße deutlich leichter, als er sie vor gut einer Stunde betreten hatte, das heißt, er hatte das Gefühl zu schweben. Es war immer wieder ein Wunder, was die Physiotherapeutin innerhalb kürzester Zeit bei ihm bewirkte. Die Kopfschmerzen, mit denen er am Morgen aufgewacht war, und die völlig verspannte Schulter- und Nackenpartie waren Geschichte, und das alles nur, weil Ronny Lange seinen Energiefluss wieder in Gang gebracht hatte. Für Heinz Baginski stand fest, dass er auch zu Hause in Bottrop unbedingt Osteopathie-Anwendungen nehmen musste, am besten dauerhaft und in kurzen Abständen. Schon lange hatte er sich nicht mehr so durch und durch gesund gefühlt.
Nun lenkte er seine Schritte in Richtung Park an der Mühle. Seine Spiegelreflex-Kamera hatte er schon vorsorglich dabei, denn in der Grünanlage gab es ein Storchennest.
Zum Glück war der Park nur wenige Meter entfernt, und als Heinz Baginski ihn durch das schmiedeeiserne Tor betrat, tauchte er augenblicklich in den friedlichen Zauber einer Märchenwelt ein. An diesem Vormittag war niemand sonst hier. Das Plätschern des Brunnens in der Mitte lag federleicht über der Stille, die auch durch keinen Windhauch gestört wurde. Heinz Baginski schlenderte den feinen, hellen Schotterweg entlang bis zum Teich
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