Leander und die Stille der Koje (German Edition)
und setzte sich auf die Bank vor dem Ausstellungshäuschen, in dem der Künstler, der den Park gestaltet hatte, die Postkartenständer und verkäuflichen Bilder sicher aufbewahrte, wenn er selbst nicht zugegen war.
Auf der glatten Wasserfläche spiegelten sich die Seerosen, die ihre schlanken Hälse in die Luft streckten und ihre großformatigen weißen, gelben und rosafarbenen Blüten prächtig zur Schau stellten. Am Ufer lagen zwei runde Granitsteine im Kiesbett des flachen Wassers. Darauf saßen zwei Wildtauben, die hin und wieder schnäbelten, wenn sie nicht gerade ihre Köpfe ins Wasser steckten und sich dann das Gefieder ausschüttelten. So kam Heinz Baginski an diesem Vormittag zu seinen ersten eindrucksvollen Fotos, zumal sich die Tauben von dem Klicken seines Auslösers nicht stören ließen.
Während er einen tiefen Schluck aus seiner Apfelschorleflasche nahm, landete plötzlich ein Storch auf dem Nest, das sich hoch oben auf einer Stange hinter dem Teich befand. Das Tier stolzierte einmal rund um das Nest und ließ sich dann umständlich darin nieder, so dass nur noch sein Kopf über den Rand lugte. Vorsichtshalber tauschte Heinz Baginski sein Universalobjektiv gegen sein Tele und legte die Kamera griffbereit neben sich auf die Bank. Das Storchennest hob sich deutlich vor einem wolkenlosen blauen Himmel ab, das ideale Wetter zum Fotografieren. Und er, Heinz Baginski, saß hier in der aufkommenden Hitze eines makellosen Sommertages und hatte die Zeit und die Muße, einfach abzuwarten, welche Motive sich ihm noch bieten würden.
Ein zweiter Storch flog von der Seite heran, landete auf dem Rand des Nestes und legte gleich den Kopf weit zurück in den Nacken, um mit kurzen, heftigen Schnabelschlägen storchentypisch zu klappern. Baginski griff nach der Kamera, visierte das Schauspiel an, zoomte den Storch auf das volle Format heran und löste im Serienmodus aus. Wie ein Schnellfeuergewehr klackerte der Auslöser, während Baginski jede Phase des Klapperns auf den Speicherchip bannte. Als auch der zweite Storch sich so in das Nest hineingekuschelt hatte, dass nur noch sein Kopf herauslugte, kontrollierte Baginski auf dem Display die Ergebnisse seines Storchenshootings und war über alle Maßen begeistert von den gestochen scharf abgebildeten Tieren vor diesem unglaublichen Himmelsblau.
Den dritten Storch erblickte er schon im Anflug, als der Vogel noch einige Meter weit weg war. Das Tier vollführte angesichts des bereits vollen Nestes geradezu akrobatische Verrenkungen in der Luft, um nicht womöglich auf die Genossen zu latschen, die sich das sicher nicht gefallen lassen würden. Das Ergebnis waren fantastische Bilder, vom einzelnen Storch, der in der Luft zu stehen schien, die Flügel rechtwinklig eingeknickt und die langen Storchenbeine nach vorne ausgefahren, bis zu dem Moment, in dem das Tier auf dem Nestrand stand, während ihm die beiden anderen Vögel die Hälse entgegenreckten. Allerdings wurde es nun da oben offensichtlich so voll und ungemütlich, dass sich die drei Störche laut kreischend in die Luft erhoben und über den Park hinweg davonflogen.
Heinz Baginski überlegte nicht lange. Er raffte sein Zeug zusammen, verließ den Park durch den Seitenausgang und rannte die Feldstraße entlang, immer die Augen in Richtung Himmel ausgerichtet. Gut hundert Meter weiter landeten die Störche nun vor den dunklen Baumkronen des Grünstreifens. Baginski hetzte hinterher, achtete nicht auf den Schweiß, der in Strömen sein Gesicht und seinen Rücken hinablief, und erreichte den Grünstreifen noch rechtzeitig, um das Begrüßungsklappern der anderen Störche mitzuerleben, die sich hier in einem Gehege aufhielten. An den Ufern eines schmalen künstlichen Wasserlaufes standen mehrere Vögel inmitten von Enten und sogar zwei Kranichen und wichen vor dem heranhetzenden Fotografen schrittweise zurück.
Das Licht war hier deutlich schlechter als im Park. Die Belichtungszeit verlängerte sich derart, dass die Ergebnisse Heinz Baginski nicht zufriedenstellten und er schon nach wenigen Versuchen aufgab. Enttäuscht hängte er sich die Kamera über die Schulter und beschloss, sich die Infotafeln näher anzusehen, die am Wegesrand gegenüber dem Gehege standen.
Sekunden später glaubte Heinz Baginski schlagartig an die Vorsehung und daran, dass er in ihrer besonderen Gunst stehen musste, denn er entdeckte das, wonach er seit Tagen gesucht und das er trotz aller Mühen und Plagen bislang nicht gefunden hatte: die
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