Leander und die Stille der Koje (German Edition)
wurde.
18
Als am nächsten Morgen um zehn Uhr keine Ariana Jeronski in der Zentralstation erschien, ließ Lena Jörn Vedder bei den Eltern des Mädchens anrufen, die völlig aufgelöst berichteten, dass ihre Tochter seit dem vergangenen Abend verschwunden sei. Auf die erhitzte Nachfrage des Polizeibeamten, weshalb sie sich nicht bei der Polizei gemeldet hätten, zumal sie von Arianas Termin dort gewusst hatten, erntete er nur ein verzweifeltes Schluchzen der Mutter. Vedder versprach, sich bei ihr zu melden, sobald er etwas in Erfahrung gebracht hätte.
»Verdammt«, kommentierte Dieter Bennings die schlechte Nachricht. »Wenn wir Pech haben, ist das Mädchen abgehauen und irgendwo auf dem Festland untergetaucht.«
»Oder sie ist einfach nur bei Maarten Rickmers«, beschwichtigte Lena ihn. »Weil sie die Nacht nicht zu Hause verbracht hat, traut sie sich jetzt nicht heim. Den Termin bei uns hat sie schlicht vergessen.«
»Das lässt sich ja herausfinden.« Dieter Bennings ging in die Wachstube, um bei Rickmers anzurufen.
Als er kurz darauf zurück kam, erkannte Lena bereits an dem sorgenvollen Blick, dass seine Befürchtungen Nahrung bekommen hatten.
»Bei Rickmers ist sie nicht. Maarten sagt, er habe sie gestern Abend treffen wollen, aber sie sei nicht gekommen. Seitdem habe er von ihr nichts gehört. Was mich daran stört, ist, dass er nicht im Geringsten besorgt war.«
»Entweder hat er gelogen und weiß ganz genau, wo sich Ariana aufhält, oder ihm liegt nichts mehr an ihr«, überlegte Lena. »Die Frage ist, warum sie verschwunden ist. Wovor hat sie Angst?«
»Das erfahren wir erst, wenn wir mit ihr sprechen können. Vielleicht ist es aber gar nicht Ariana, die Angst hat, sondern Maarten Rickmers. Angenommen, die beiden haben sich gestern Abend doch getroffen und Ariana hat ihm erzählt, dass wir mit ihr sprechen wollen. Weiter angenommen, Maarten hat etwas zu verbergen und Angst, dass Ariana einem Gespräch mit uns nicht lange standhält. Dann wäre es doch aus seiner Sicht besser, wenn sie verschwände, oder? Stellt sich die Frage, wo ein achtzehnjähriges Mädchen sich verstecken kann. Der Kollege Vedder soll eine Fahndung heraus geben und bei Arianas Eltern nachfragen, ob sie vielleicht Verwandte auf einer der Inseln oder auf dem Festland haben, wo ihre Tochter untergekrochen sein könnte.«
Dieter Bennings ging erneut in die Wachstube, um das Notwendige einzuleiten. Lena blieb in ihrem Büro zurück und dachte über die Entwicklung des Falles nach. Das Ganze gefiel ihr überhaupt nicht. Sollte Maarten Rickmers etwas mit dem Verschwinden Arianas zu tun haben, dann hatte er einen Fehler gemacht, denn von nun an würde sie ihn nicht mehr aus ihren Ermittleraugen lassen.
Heinz Baginski strampelte in regelrechter Todesverachtung mit seinem Fahrrad und wie üblich behängt mit seiner kompletten Ausrüstung über den Deichweg in Richtung Midlmer Vorland. Heute würde er den Naturerlebnishof finden, so genau wie er jetzt orientiert war. Die Hitze machte ihm schwer zu schaffen, aber wenn es erst ein Gewitter gab und möglicherweise sogar ein paar Tage lang regnete, dann war es noch ungemütlicher, mit dem Fahrrad über die Insel zu fahren. Es wehte aber auch überhaupt kein Lüftchen heute. Der Himmel hatte jegliches Blau eingebüßt und sich so komplett schwarz verschleiert, als wäre das gesamte Universum zum Islam konvertiert.
Vor ihm weitete sich das Midlumer Vorland, und bald darauf erschien der Deichübergang, der ihn heute endlich zum Andelhof führen würde. Allerdings schob Heinz Baginski sein Fahrrad diesmal die Schräge hinauf, zum Fahren war es schlicht zu heiß, und schließlich musste er ja an sein schwaches Herz denken.
Auf der Deichkrone angekommen, schnappte er zunächst einmal nach Luft. Hechelnd stand er da und ließ seinen Blick über die Landschaft gleiten. Der verfing sich gleich hinter einem schmalen Baumstreifen an einer großen Scheune, auf deren Dach ein merkwürdiger Aufbau installiert war. Dort oben hing eine kleine Glaskuppel, und Heinz Baginski erkannte sofort, dass es sich dabei um die Kamera handeln musste, die die wunderbaren Live-Bilder der renaturierten Flächen auf die Internetseiten von Elmeere zauberte. Die hatte er sich nämlich genau angesehen, um nicht wieder den ganzen Tag orientierungslos über die Insel zu irren.
In freudiger Erwartung schwang er sich auf sein Rad und ließ sich über die Schräge der Deichquerung hinabrollen. Vor dem üblichen Schutzgatter
Weitere Kostenlose Bücher