Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Tage weg warst, hat er es sich mit ihr in aller Öffentlichkeit gut gehen lassen. Und wenn ich das richtig sehe, ist das Mädchen noch nicht an andere Kerle verkauft worden. Was meinst du, mit wem wird er wohl nach Amerika gehen? Mit einem Flittchen oder mit einem ehrbaren Mädchen?«
»Hören Sie auf!«, schrie Ariana Jeronski und brach in Tränen aus. »Hören Sie sofort auf.«
Lena gab Jens Olufs ein Zeichen, ihm nach draußen zu folgen.
»Tut mir leid«, sagte der Polizeihauptmeister. »Ich dachte, vielleicht spricht sie mit mir eher als mit jemandem vom Festland. Manchmal wirkt das Wunder, wenn man etwas vertraulicher und direkter ist. Ich dachte, einen Versuch wäre es wert.«
»Kein Problem, Herr Olufs, aber ich fürchte, bei Ariana zieht das nicht. Die ist nicht so abgebrüht. Im Grunde ist sie ein zutiefst verletztes Kind, das ganz genau fühlt, wie Maarten Rickmers ihre Liebe verraten hat. Wir müssen versuchen, sie auf der Schiene zu kriegen. Jetzt trinken wir erst einmal eine Tasse Kaffee und lassen sie nachdenken und sich beruhigen.«
Nach zehn Minuten betraten sie erneut das Büro. Ariana Jeronski saß zusammengesunken am Tisch, das Gesicht in die Hände gestützt. Lena setzte sich ihr gegenüber, während Jens Olufs sich an die Wand neben dem Fenster lehnte.
»Frau Jeronski«, ergriff Lena wieder die Initiative. »Sie sind minderjährig. Wir müssen Ihre Eltern benachrichtigen. Was meinen Sie, was die zu all dem sagen werden?«
Erschrocken sprang Ariana Jeronski auf und ging ein paar Schritte auf und ab. »Muss das sein? Müssen Sie ihnen das sagen?«
»Tut mir leid. Aber wir haben keine andere Wahl. Allerdings kann ich mich für Sie einsetzen, sofern Sie sich jetzt etwas kooperativer zeigen«, schlug Lena vor.
Das Mädchen blieb stehen und sah die Hauptkommissarin zweifelnd an. Dann setzte sie sich wieder und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. »Gut, was wollen Sie wissen?«
»Haben Sie mit den Männern, die ich eben genannt habe, für Geld geschlafen?«
»Ja. Das heißt, mit dem Bürgermeister nicht.«
»Und wo fanden diese Treffen statt? In der Boldixumer Vogelkoje?«
Ariana Jeronski nickte.
»Auch an dem Abend, an dem Herr Rickmers dort erschlagen wurde?«
»Nein«, rief das Mädchen erschrocken, sprang auf und wanderte wieder durch das Zimmer.
»Wussten Sie von den Videos, die Ihr Freund von den Treffen gemacht hat?«
»Ja, nein, anfangs nicht. Irgendwann habe ich es bemerkt.«
»Wozu dienten diese Videos?«
»Maarten hat gesagt, dass er sie für unsere Sicherheit braucht. Damit niemand quatscht, weil der sonst selber dran wäre.«
»Aber Sie haben ihm das nicht geglaubt?«
»Doch«, kam es nun zaghaft zurück.
»Hat Maartens Vater von den Vorgängen in der Boldixumer Vogelkoje gewusst?«
»Weiß ich nicht. Nein, ich glaube nicht.«
»Frau Jeronski, glauben Sie, dass Maarten Sie so schonend behandelt wie Sie ihn? Wenn es für ihn eng wird, packt er aus. Wollen Sie uns also nicht doch alles sagen?«
Ariana Jeronski schüttelte den Kopf. Sie sah völlig niedergeschlagen aus. Lena ließ Jens Olufs das Mädchen zurück in ihre Zelle bringen und Hendrik Görgens vorführen. Der Mann blickte die Hauptkommissarin zerknirscht an, wie ein kleiner Junge, den man beim Ladendiebstahl erwischt hatte. Lena nahm sich vor, ihn gehörig auf den Topf zu setzen und ihm die Tragweite seiner Handlungen in allen Feinheiten klarzumachen.
»Tja, Herr Görgens, dumm gelaufen«, begann Lena das Verhör. »Gekaufter Sex mit Minderjährigen ist kein Kavaliersdelikt.«
»Wieso minderjährig?«
»Ariana Jeronski ist siebzehn Jahre alt, und selbst wenn ein guter Anwalt Sie strafrechtlich rauspauken sollte: Politisch ist es für Sie der Tod.«
»Das wusste ich nicht. Maarten hat gesagt, sie sei achtzehn.«
»Ist sie nicht. Und wenn ich das richtig mitbekommen habe, stand sie gelegentlich sogar unter Drogen, um das alles überhaupt ertragen zu können. Sagen Sie mal, Herr Görgens, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Sie mussten doch wissen, was es für Sie bedeutet, wenn die Sache herauskommt.«
»Maarten hat gesagt, das sei sicher. Scheiße, Mann. Kann man das nicht diskret …? Ich meine …« Der Politiker blickte Lena verschwörerisch an. Sie hatte den Eindruck, dass er so etwas tatsächlich für möglich hielt.
»Nein, Herr Görgens, kann man nicht!«, antwortete Lena bestimmt. »Wie lange geht das schon so?«
»Keine Ahnung. Irgendwann kam Maarten auf mich zu und hat
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