Leander und die Stille der Koje (German Edition)
gelehnt und sein wahres Gesicht gezeigt hatte.
»Danke für Ihre Offenheit, Herr Paulsen«, beendete Bennings den Disput zweideutig. »Wir werden Ihre Angaben überprüfen. Sollten wir weitere Fragen haben, oder sollte Ihnen noch etwas einfallen, das uns weiterhelfen könnte, treten wir wieder in Kontakt.«
Paulsen führte die Kriminalbeamten hinaus und nickte ihnen, bevor er die Haustür hinter ihnen schloss, so freundlich zu, als hätten sie sich gerade ganz unvoreingenommen und freundschaftlich unterhalten.
»Aalglatt«, kommentierte Dernau kopfschüttelnd. »Wir sollten die Kollegen von der Wirtschaft mal auf ihn ansetzen. Es würde mich nicht wundern, wenn er mit dem Geld seiner Kunden spielt und dabei auch schon einmal größere Summen versenkt. Vielleicht hat er Rickmers’ Kohle auch verzockt und es kam deshalb zum tödlichen Streit.«
»Von mir aus bleib am Ball, wenn du dir davon etwas versprichst«, stimmte Bennings halbherzig zu.
»Eiskalter, berechnender Typ. Unter dem Strich zählt für den nur sein Gewinn. Der Tod seines Jagdkollegen geht ihm jedenfalls völlig am Arsch vorbei.«
»So ist das nun mal. Nicht jeder liebt seinen Arbeitskollegen so wie du mich.«
Lachend stiegen sie in ihr Auto und nahmen Kurs auf Wyk, um Rickmers’ Geschäftsführerin Mareen Olsen in der Großen Straße aufzusuchen. Dabei schlugen sie den Weg über Wrixum ein und warfen im Vorbeifahren einen Blick auf das von Frau Rickmers erwähnte Erdbeerparadies . Sie waren sich einig, dass man in der abgerissen aussehenden Hütte keine Reichtümer erwerben konnte, schon gar nicht als Aushilfskellner. Die Disko am Hafen schien da schon ein anderes Kaliber zu sein. Bennings beschloss, seine Kollegen von der Wirtschaftskriminalität auch diesbezüglich zu konsultieren.
Mareen Olsen hielt sich nachmittags immer in der Hauptstelle der Fleischerei Bendicks in der Großen Straße auf, denn hier befand sich auch das Büro. Sie war eine Frau im Alter von etwa fünfunddreißig Jahren und für eine Fleischereifachverkäuferin erstaunlich grazil, stellte man sich doch unter Frauen, die mit rohem Fleisch umgingen, gemeinhin eher deftige Personen vor. Auch sie hatte sie schon erwartet und war eher erstaunt darüber, dass die Polizei so spät zu ihr kam.
»Sie sind noch sehr jung für die Position einer Geschäftsführerin«, bemerkte Bennings und nahm auf dem Stuhl Platz, den Mareen Olsen ihm in ihrem Büro angeboten hatte.
»Wenn Sie damit auf mein Verhältnis zu Nahmen Rickmers anspielen wollen, dann befinden Sie sich im Irrtum«, erklärte die Frau bestimmt, nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz und faltete die Hände locker vor sich auf der Tischplatte. »Ich bin in der Firma, seit ich mit sechzehn Jahren die Lehre hier angefangen habe. Frau Rickmers hat mich gefördert. Ich habe meinen Meisterbrief gemacht und schließlich die Position übernommen, als Herr Rickmers sich mehr oder weniger aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Nahmen hätte das auch gar nicht zu entscheiden gehabt.«
»Das heißt, Sie hatten tatsächlich ein Verhältnis mit Herrn Rickmers? Wusste seine Frau davon?«, hakte Bennings nach.
»Ich glaube nicht. Das hat auch erst später angefangen, so vor einem Jahr etwa. Nahmen war damals noch einmal in der Woche in der Firma, und wir haben gemeinsam die Filialen besucht. Dabei habe ich mich in ihn verliebt.«
»Und er?«, fragte Bennings, während Dernau wie üblich zu Beginn jeder Befragung stumm das Geschehen beobachtete.
»Nahmen hat niemanden geliebt«, stellte sie ohne Anzeichen eines Gefühls fest. »Anfangs hat ihm unsere Beziehung ganz gut gefallen. In letzter Zeit aber wurde er immer komischer. Ich habe zuerst gedacht, er hätte Angst, dass ich Forderungen stelle, aber das hätte ich nie gemacht. Ich mag meine Unabhängigkeit. Nahmen hat gelacht, als ich ihn darauf angesprochen habe. Ich solle mir da mal nichts einbilden, hat er gesagt.«
»Was könnte dann für die Verhaltensänderung gesorgt haben?«
»Ich weiß es nicht. Irgendetwas stand zwischen uns, aber vielleicht bin ich ihm auch nur langweilig geworden. Männer sind so, glauben Sie mir, ich habe da so meine Erfahrungen und achte nicht umsonst darauf, unabhängig zu bleiben.«
»Hatte Herr Rickmers öfter Verhältnisse mit anderen Frauen?«, erkundigte sich Bennings.
»Nahmen hatte immer etwas laufen, da habe ich mir nie etwas vorgemacht. Aber er war sehr diskret, er wollte seine Frau nicht kompromittieren. Entsprechend hat er nie von anderen
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