Leander und die Stille der Koje (German Edition)
vorkommt. Das war natürlich Blödsinn. Arfsten ist sein Freund und unser größter Zulieferer, auf den können wir gar nicht so ohne Weiteres verzichten. Außerdem liefert er sonst immer nur beste Qualität. Aber in solchen Situationen kannte Nahmen auch keine Freunde, da ist ihm dann der Kragen geplatzt.«
»Wenn Ihnen noch etwas einfällt, erreichen Sie uns über die Zentralstation«, sagte Bennings und stand auf. »Ihre Angaben überprüfen wir.«
Im Hinausgehen drehte sich Dernau noch einmal um und sagte: »Dafür, dass Sie Ihren Chef geliebt haben wollen, sind Sie sehr gefasst.«
»Ich hatte ja auch schon etwas Zeit. Wenn Sie Tränen erwartet haben, hätten Sie früher kommen müssen.«
»Wissen Sie, wie ich die Sache sehe?«, fuhr Dernau unbeeindruckt fort. »Rickmers hat Sie abserviert, weil er eine neue Flamme hatte – eine jüngere und hübschere vielleicht. Sie wollten mit seiner Hilfe eigentlich die Chefin hier werden und haben Ihre Felle schwimmen gesehen. Also haben Sie ihn erpresst. In der Vogelkoje ist es dann zum Streit gekommen, und Sie haben ihn erschlagen. Genau so war es, habe ich recht?«
»Sie haben Phantasie, das ist aber auch alles«, reagierte Mareen Olsen unbeeindruckt. »Ich habe es gar nicht nötig, meine Position hier auf die Weise zu sichern, die Männer wie Sie offenbar gerne haben. Außerdem wollte ich hier nicht die Chefin werden, ich bin es, und ich war es auch schon, als Nahmen noch lebte. Machen Sie Ihre Arbeit: Überprüfen Sie mein Alibi, vergleichen Sie die Spuren, die Sie gefunden haben, mit meiner DNA, und dann belästigen Sie mich nicht weiter. Männern in Führungspositionen mag man es verzeihen, wenn sie während der Arbeitszeit golfen oder jagen gehen; Frauen verzeiht man das nicht, da fordert man hundertfünfzigprozentigen Einsatz. Also entschuldigen Sie mich jetzt bitte.«
Sie machte demonstrativ die Tür hinter den Kriminalbeamten zu, kaum dass sie den Raum verlassen hatten.
Draußen vor dem Laden schüttelte Bennings den Kopf. »Ganz schön tough, die Dame.«
»Sie ist sicher nicht ohne Grund auf den Posten gekommen«, wandte Dernau ein. »Und so, wie ich sie einschätze, ist ihr Chef nicht der Einzige gewesen, der über Leichen gehen konnte. So leicht lässt die sich nicht wieder die Butter vom Brot nehmen.«
»Wir lassen das Alibi von den Insel-Kollegen überprüfen, dann sehen wir weiter. Lass uns die paar Meter zurück ins Präsidium zu Fuß gehen«, schlug Bennings vor und steckte das Haar der Geschäftsführerin in einen kleinen Plastikbeutel. »Vielleicht gibt es ja inzwischen Neuigkeiten von der Spusi.«
In der Zentralstation wieselte Hinrichs aufgeregt durch die Wachstube. Bennings erkannte gleich, dass irgendetwas passiert sein musste.
»Da ist eine E-Mail für Sie gekommen«, verkündete der Oberkommissar mit einem triumphierenden Grinsen im Gesicht, das darauf hinwies, dass er genau wusste, was die Stunde geschlagen hatte – und das konnte nichts Erfreuliches für die Kommissare sein, sonst hätte sich Hinrichs nicht so aufgeplustert.
»Sie lesen unsere E-Mails?«, konterte Dernau drohend. »Wie kommen Sie dazu?«
»Neinnein«, beeilte sich Hinrichs. »Ich habe nur den Betreff gelesen. Eben hat aber Ihr Chef angerufen, ein Kriminalrat Wenningstedt. Sie sollen sofort zurückrufen, wenn Sie wieder da sind.«
Bennings nickte ihm zu, signalisierte damit aber nicht nur, dass die Nachricht angekommen sei, sondern auch, dass er nicht gewillt war, mit Hinrichs näher darüber zu reden. Stattdessen reichte er Jörn Vedder die Zettel, die Paulsen und Mareen Olsen ihm gegeben hatten, und bat ihn, die Alibis zu überprüfen.
»Und das hier ist eine DNA-Probe von Frau Olsen«, ergänzte er und reichte dem Polizeibeamten das Plastiktütchen. »Die leiten Sie bitte direkt an die KTU weiter.«
Vedder nickte. Dann ging Bennings mit Dernau in ihr Büro und blickte Hinrichs herausfordernd an, als der hinter Dernau herdackelte, um ebenfalls den Raum zu betreten. Hinrichs’ Neugier überwog sein Feingefühl, und so merkte er nicht von selbst, dass er momentan überflüssig war.
Noch in der Tür wandte sich Dernau plötzlich um, knallte sie dem Oberkommissar vor den Bauch und schimpfte: »Jetzt machen Sie mal die Tür zu, Mann. Das zieht doch, merken Sie das eigentlich gar nicht?«
Hinrichs lief rot an und trollte sich, aber die Tür musste Dernau selbst schließen, so weit ließ sich der Oberkommissar nicht erniedrigen.
»Dorftrottel«, kommentierte
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