Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Frauen gesprochen. Es könnte schon sein, dass da jetzt wieder jemand anderes war.«
Ist die Frau so gefühlskalt, oder hat sie sich einfach nur verdammt gut unter Kontrolle?, überlegte Dieter Bennings. »Und Sie haben sich nicht mehr dafür interessiert?«, hakte er nach. »Ich stelle mir vor, dass Sie nicht begeistert davon waren, dass er sich von Ihnen entfremdet hat. Haben Sie ihn nicht zur Rede gestellt?«
»Wenn Sie auf den Mordabend anspielen: Ich habe Nahmen an dem Tag nicht gesehen. Ich war auch nie zusammen mit ihm in der Vogelkoje.«
»Sie wissen, dass wir das überprüfen können«, wandte Bennings ein. »Wir haben DNA-Spuren gesichert, die wir nur mit Ihrer DNA abgleichen müssen.«
»Tun Sie das«, meinte sie beiläufig, riss sich ohne jede Regung ein Haar aus und ließ es vor Bennings auf die Tischplatte sinken. »Ich sage die Wahrheit. Außerdem habe ich für den Tatabend ein Alibi. Meine Familie stammt ursprünglich aus Dänemark. Wir gehören der kleinen dänischen Gemeinde hier in Wyk an und bereiten gerade ein Sommerfest vor. Ich bin im Planungsvorstand. An dem Abend hatten wir ein Treffen in der dänischen Schule. Die Namen der anderen Mitglieder habe ich Ihnen auf diesen Zettel geschrieben.« Sie zog ein vorbereitetes Blatt aus der obersten Schublade und reichte es Bennings, der es direkt an Dernau weitergab.
»Wie fühlen Sie sich eigentlich nach dem Tod Ihres Geliebten?«, fragte der unvermittelt.
»Wenn ich ehrlich sein soll: beschissen.« Zum ersten Mal in diesem Gespräch huschte jetzt doch so etwas wie ein Schatten über Mareen Olsens Gesicht und die Fingerknöchel verfärbten sich unter dem Druck ihrer Hände weiß. »Wie gesagt, ich habe ihn wirklich geliebt, auch wenn ich immer gewusst habe, dass das von seiner Seite her nichts für die Ewigkeit ist. Seine Frau hätte er ohnehin nie verlassen. Er war ja gewissermaßen von ihr abhängig, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Die Kommissare nickten.
»Hatte Herr Rickmers in letzter Zeit Streit mit jemandem?«, wechselte Bennings das Thema.
»Nur das Übliche. Mit diesen Umweltschützern lag er im Dauerclinch. Seine Jägerkollegen haben ihm auch immer zugesetzt, dass er klare Kante zeigen und nicht so kompromissbereit sein sollte. Vor allem Paulsen lag ihm im Magen, der macht sich immer breiter und war wohl inzwischen eine ernstzunehmende Bedrohung für Nahmens Karrierepläne. Sein Freund Arfsten war in letzter Zeit auch der Meinung, Nahmen solle härter gegen die Ökos vorgehen, deshalb gab es wohl eine Missstimmung. Ich verstehe auch gar nicht, dass Nahmen so zögerlich war, wenn es um diesen Verein ging. Dafür war er gar nicht der Typ. Er war eher – ich weiß gar nicht, ob ich das sagen soll, schließlich ist er tot –, aber er war eher einer, der genau wusste, was er wollte, und der dafür auch über Leichen ging.«
Bennings und Dernau waren einen Moment lang überrascht, da sie mit solch einem harten Urteil nicht gerechnet hatten.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Bennings schließlich.
»So, wie ich es gesagt habe. Ich wollte ihn nicht zum Feind haben. Er konnte ganz schön ruppig werden. Und wenn er jemanden in der Hand hatte, nutzte er das zu seinem Vorteil gnadenlos aus. Ich habe nie etwas gefordert, deshalb hatten wir auch nie Streit. Außerdem mag ich Männer, die wissen, was sie wollen. Ich bin da im Grunde nicht viel anders, nur könnte ich nie so knallhart sein, wenn mir jemand quer kommt.«
»Wer ist ihm denn in letzter Zeit so quer gekommen, dass er wirklich ruppig wurde?«, nahm Bennings die Formulierung auf.
»Ein Landwirt aus Borgsum hat uns Fleisch untergeschoben, das nicht sauber war. Bei einer Überprüfung haben wir festgestellt, dass das Tier zuvor massiv mit Antibiotika behandelt worden ist. Ich habe das Fleisch sofort aus dem Verkauf genommen und reklamiert. Damit war die Sache eigentlich erledigt, und ich habe Nahmen nur noch ganz beiläufig davon erzählt, weil er als Chef schließlich wenigstens informiert sein musste. Nahmen hat ein Riesenfass aufgemacht. Dabei war das Tier gar nicht von dem Bauern selbst, er liefert auch zugekauftes Fleisch vom Festland.«
»Wie hieß der Landwirt?«, wollte Bennings wissen.
Mareen Olsen zögerte. »Muss ich das sagen?«
»Natürlich. Vielleicht hat der Mann ja Ihren Chef im Streit erschlagen.«
»Quatsch. Also gut, Brar Arfsten war es. Nahmen hat ihn zur Schnecke gemacht und ihm angedroht, kein Fleisch mehr von ihm zu kaufen, wenn so etwas noch einmal
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