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Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Titel: Leander und die Stille der Koje (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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gesagt, dass seine Exkursion heute die Ausnahme bleiben muss. Aber immerhin hat er mindestens so viel Berufserfahrung wie wir und weiß genau, worauf es ankommt. Außerdem geht uns nichts verloren. Wenn wir nicht zufrieden sind, suchen wir Wiese selbst noch einmal auf.«
    »Meinetwegen. Was hältst du dann davon, wenn wir heute Nachmittag diesen Melf Albertsen besuchen? Ich möchte mir ein Bild von dem Mann machen, der für den Naturschutz eintritt und trotzdem von Arfsten akzeptiert wird.«
    »Wunderbar, der Gedanke an einen Nachmittag in Utersum ist mir jedenfalls bei Weitem lieber als der an einen Dienst in der Zentralstation, noch dazu mit Hinrichs im Nebenraum. Außerdem ist Wochenende, da kann auch eine Stippvisite am schönsten Sandstrand der Insel nicht schaden.«

12
    Günter Wiese kramte in seinem roten Transporter herum, als Henning Leander in seine Einfahrt trat, und stellte zwei Aluminiumkoffer auf die Rückbank. Als Leander auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, quetschte sich der Naturschützer hinter das Lenkrad und fuhr rückwärts auf die Feldstraße hinaus.
    Kurz darauf befanden sie sich auf der Straße in Richtung Hafen und bogen vor dem Gewerbegebiet und dem inneren Becken nach links in die Marsch ab. Hundert Meter weiter hielt Wiese am Straßenrand und stellte den Motor ab. »Wenn Sie vor sich über die Straße und die Weide gucken, fällt Ihnen dann etwas auf?«
    Leander suchte den Weg vor sich ab, konnte aber nichts Auffälliges entdecken.
    »Da ist ein Knick in der Straße«, erklärte Wiese. »Sie senkt sich vor uns, sehen Sie das?«
    Da er ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, sah Leander jetzt auch, dass sich das Straßenniveau senkte, als läge ein ausgetrocknetes Flussbett vor ihnen.
    »Das ist ein alter Priel. Früher stand hier bei Sturm im Frühjahr und im Herbst alles unter Wasser«, berichtete Günter Wiese in einem Tonfall, als hielte er vor einer Gruppe Studenten eine Vorlesung. »Der Priel hat das ganze Jahr über Wasser geführt, weil Föhr nur von einem niedrigen Sommerdeich umgeben war. Von hier bis Oevenum war das, was heute Marsch ist, ein einziger See, ein Meer geradezu, das den Namen Elmeere trug. Daher kommt der Name unseres Vereins. Sie können sich sicher vorstellen, dass das ein einzigartiges Biotop für Vögel und Amphibien war. Um 1900 herum wurden dann die Deiche erhöht und Entwässerungsgräben angelegt. Die Marsch wurde trockengelegt und an die Landwirtschaft übergeben. Die Bauernhöfe lagen damals noch auf der Geest, also auf den Geröllrücken, auf denen auch die Inseldörfer angelegt wurden. Die Aussiedlerhöfe in der Marsch, die Sie hier heute überall finden, hat es früher nicht gegeben, die wären nämlich schlicht und einfach abgesoffen. Mit der Entwässerung wurde hier alles so trocken, dass es heute fast keine Biotope für Amphibien mehr auf der Insel gibt. Und Rückzugsräume für die Meeresvögel auch nicht. Die Entwässerungstechnik ist dermaßen effizient geworden, dass allein die beiden Schöpfwerke der Insel jährlich etwa acht Millionen Kubikmeter Wasser ins Meer pumpen. Dazu kommen noch ein paar Millionen Kubikmeter, die der Insel durch die Siele entzogen werden. Auf der Weide da rechts können Sie an der Farbe des Grases sehen, wo früher der Priel war.«
    Tatsächlich war ein breiter Streifen im Gras der Weide deutlich gelber als der Rest. Anstelle des natürlichen Wassergrabens befand sich nun ein runder Teich dort, der von Kuhbeinen rundherum matschig getrampelt worden war und nicht so aussah, als befände sich irgendetwas Lebendiges darin. Wiese startete den Wagen und fuhr weiter, um einige Zeit später erneut am Rande einer Weide stehen zu bleiben und den Motor abzustellen.
    »Das ist jetzt eine unserer Flächen. Wir haben sie vor ein paar Jahren gekauft und zunächst einmal die Entwässerung verstopft. Dadurch steigt das Grundwasser, und es können sich wieder die ursprünglichen Gräser, Seggen und Binsen ansiedeln. Allerdings dauert das viele Jahre. Wir baggern die Weiden auf, warten darauf, dass sich naturähnliche Wasserlachen bilden und schicken Rinder auf die Fläche, die sie einigermaßen frei halten. Im Herbst mähen wir zusätzlich. Nach ein paar Jahren haben wir so wenigstens die größten Mengen an Dünger und Gift aus dem Boden entfernt. Vom Kauf einer solchen Weide an dauert es etwa acht bis zehn Jahre, bis das Ganze dann ein akzeptables Biotop ist.«
    Wiese stieg aus und öffnete die Alukoffer auf der Rückbank. Darin

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