Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
das Essen für die Prinzessin und führe sie zur ihr. Sie wird sich von nun an um Prinzessin Soraya kümmern.“
Er nickte und ging los, ohne sich nach Leandra umzusehen. Sie eilte ihm nach und bemerkte, dass sein Gesicht starr wie eine Maske war, auch auf ihre freundliche Vorstellung reagierte er nicht. In der Küche herrschte ein hektisches Treiben. Der Koch schmeckte die Suppe ab, Mägde scheuerten den Boden und Gesinde huschte hin und her.
„Kema, die hier soll der Prinzessin das Mittagessen bringen.“
Eine pausbäckige Magd hielt beim Schälen der Äpfel inne und holte ein Tablett von der Anrichte. Darauf standen eine Kanne Milch, ein Teller Kartoffelsuppe und warmes Brot. Leandra bedankte sich, als sie das Tablett entgegen nahm, doch Kema erwiderte ihr Lächeln nicht.
„Beeil dich“, sagte eine Stimme hinter ihr.
Der Diener wollte scheinbar seine Aufgabe schnellstmöglich erledigen. Nachdem er Leandra vor Prinzessin Sorayas Tür gebracht hatte, verschwand er wortlos. War er so unhöflich gewesen, weil er viel zu tun hatte? Eigentlich spielte es keine Rolle. Sie war wegen Soraya hier, also klopfte Leandra an. Nichts regte sich, und sie öffnete einfach die Tür. Die Prinzessin lag auf dem Bett und sah zum Fenster. Ihr langes, blondes Haar floss wirr über ihre Schultern, als hätte sie es tagelang nicht gekämmt.
„Prinzessin Soraya“, sagte Leandra, „ich bringe Euch Euer Essen.“
„Verschwinde, ich will nichts essen, sondern endlich nach Hause zu meinem Vater.“
Leise schloss Leandra die Tür.
„Das werdet Ihr, und wenn es so weit ist, müsst Ihr stark sein.“ Sie stellte das Tablett auf den Tisch, während die Prinzessin sich umdrehte und auf das Essen schaute. In ihren Armen hielt sie ein Äffchen, das unruhig zappelte, weil es Hunger hatte. Schließlich nickte sie.
„Ich glaube, du hast recht.“ Soraya gab dem Äffchen eine Scheibe Brot, während sie die Suppe probierte. „Wer bist du? Du scheinst keine Inselbewohnerin zu sein.“
„Mein Name ist Leandra, und ein Piratenschiff hat mich hergebracht.“
„Oh! So bist auch du gegen deinen Willen hier.“
„In der Tat wäre ich lieber woanders.“
Sie sprang auf und ergriff Leandras Hand.
„Dann sind wir Verbündete.“
Die Heilerin der Rhea nickte. Noch wollte sie Soraya nicht verraten, wer sie wirklich war. Leandra bat die Prinzessin aufzuessen, danach nahm sie das Tablett und wandte sich zum Gehen.
„Kommst du gleich zurück?“
„Nein, ich werde mich umsehen, vielleicht finde ich einen Fluchtweg.“
„Und was, wenn du einen findest? Wir können nicht durch das Meer schwimmen.“
„Eins nach dem anderen.“
Kopfschüttelnd sah Prinzessin Soraya Leandra an, wahrscheinlich wunderte sie sich über ihre scheinbare Leichtgläubigkeit.
Nachdem Leandra das Tablett in der Küche abgegeben hatte, verbrachte sie den Rest des Tages damit, den Palast auszukundschaften. Nur wenige Wachen marschierten durch die Gänge, und keine befasste sich mit Leandra. Von seinem eigenen Volk erwartete Fürst Balark keine Bedrohung, und vermutlich waren die meisten Wachen in der Kaserne neben dem Warngong untergebracht. Trotzdem würde er seine Tür in der Nacht bewachen lassen. Da das Gemach des Königs und Sorayas im selben Stock lagen, konnte Leandra vielleicht die Mauer entlang klettern. Sie ging in den Garten, um diese Möglichkeit zu prüfen.
Sofort erkannte Leandra das Gemach des Fürsten an seinen Balkon, aber was für eine ungewöhnliche Bauweise! Das Zimmer ragte aus der übrigen Wand heraus wie ein loser Mauerstein und wäre hinuntergestürzt, wenn es nicht von Säulen gestützt worden wäre, die wie die Pranken eines Ungeheuers aussahen. Die Balkonbrüstung schien sein Maul zu sein. Der wie eine Welle geformte Fenstersims zierte die ganze Hinterseite des Palastes. Einer nächtlichen Kletterpartie stand so nichts mehr im Wege, nun musste Leandra einen Weg über die Mauer finden. Gewöhnlich gehörte zu den Werkzeugen für einen gepflegten Garten auch eine Leiter …
Während die Amazonenprinzessin durch den Garten ging, versuchte sie sich möglichst natürlich zu bewegen. Oder wäre es vielleicht besser gewesen, sich hindurch zu schleichen? Wenn der Fürst Leandra erwischte, wäre er nicht erfreut. Sie sollte sich eine Ausrede einfallen lassen. Blumen für die Prinzessin hörte sich gut an.
Ah! Fast vom blühenden Efeu überwuchert, stand in der Ecke des Gartens ein Schuppen. Vorsichtig öffnete sie die Tür, und das Innere wurde vom schummrigen Licht
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