Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
und Timor sich in Tavernen umhörten. Von hier aus werde ich bestimmt nichts erfahren , dachte sie.
„Möchtest du dir das Haus ansehen?“ ertönte eine Stimme neben ihr, und Leandra wandte sich um. Vor ihr stand ein Jüngling mit zersaustem, rotem Haar, sein rundes Gesicht war mit Sommersprossen übersät, und er lächelte breit.
„Gerne.“
„Kein Problem.“ Er ergriff ihre Hand. „Mein Name ist Norin, und wie heißt du?“
„Akane.“
„Komm mit, Akane, ich wird dir alles zeigen.“
Er führte sie zum Tor.
„Oh, ist das deine Freundin?“, fragte die Wache.
„Bist du neidisch?“ gab der Junge frech zurück.
„Sie ist ein bisschen jung für mich.“
An beiden Seiten des Weges, der breit genug für zwei Kutschen war, standen rote Ziersträucher. Ihr Rot war so kräftig, dass es fast leuchtete. Norin bemerkte ihr Erstaunen und zog sie in den Garten, wo er Leandra herumführte, als wäre es sein eigner Besitz. Zu dieser Jahreszeit blühten keine Blumen mehr, dennoch boten die zu Tiergestalten geschnittenen Büsche einen schönen Anblick. Plötzlich hörte Leandra etwas und wandte den Kopf.
Eine in Schwarz gekleidete Gestalt hatte den Garten betreten, ihr Gesicht wurde von einem schwarzen Schleier verdeckt.
„Ist das Fürst Durals Tochter?“
Norin nickte und murmelte: „Sie hat kein einziges Mal um ihren Bruder geweint.“
„Wie bitte?“
„Ähm, das ist mir nur so rausgerutscht.“ Verlegen kratzte sich der junge Mann am Hinterkopf, und Leandra verschränkte ihre Arme.
„Du solltest so etwas nicht behaupten, wenn es nicht die Wahrheit ist.“
„Das ist keine Behauptung.“ Er senkte die Stimme. „Meine Mutter ist nämlich ihre Zofe, und fast alle im Haus glauben, dass die junge Herrin erleichtert ist.“
Leandras Blick ging zu Glenna zurück, die sich auf einer Bank niederließ. Sie wünschte, sie hätte ihre Augen sehen können, doch wenn ein Mensch über den Tod eines anderen erleichtert war, deutete es immer auf eine gewisse Gefühlskälte hin. Aslam hatte einen Teil der Mitgift seiner Schwester verspielt, und vielleicht hatte sie befürchtet, dass er den Rest ebenfalls stahl. Die Frage war: Wer hatte die Tat ausführt? Auch wenn der Verdacht geschickt auf den Gaukler gelenkt worden war, glaubte Leandra nicht, dass sie einen Attentäter angeheuert hatte. Wahrscheinlicher war, dass sie jemanden ausgenutzt hatte.
„Ist sie schön?“
„Ja, aber du bist noch schöner.“
Leandra errötete. Irgendwann musste sie sich an Komplimente dieser Art gewöhnen.
„Dann hat sie wohl viele Verehrer.“
„Unzählige, ihr Größter ist zweifelsohne Harin.“
„Harin?“
„Er ist hier der Stallbursche und so verliebt in die Herrin, dass er für sie durchs Feuer gehen würde.“
Hörte sich so an, als müsste sie mit diesem Mann einmal sprechen, bloß wie wurde sie ihren freundlichen Führer wieder los?
„Norin!“, rief plötzlich eine Stimme, und wenig später marschierte eine Frau auf sie zu.
„Oh, nein!“, murmelte er und sah Leandra entschuldigend an. „Es tut mir leid, dass du das gleich mitbekommst.“
Die Frau baute sich vor ihnen auf und erinnerte die Amazone an einen angriffslustigen Bären.
„Wo warst du den ganzen Tag? Solltest du nicht etwas holen?“
„Natürlich, ich hab es in meiner Tasche.“
„Bringe es sofort hinein, und wer bist du?“ Ihre braunen Augen funkelten Leandra an.
„Mutter, sei bitte nicht so unhöflich!“
„Du bist still.“
Gelassen stellte sich Leandra als Akane vor, und Norins Mutter lächelte plötzlich.
„Endlich ein nettes Mädchen, leider hat mein Sohn keine Zeit mehr. Findest du alleine raus?“
„Sicher.“
„Gut. Norin, du stehst ja immer noch hier!“
Er beugte sich zu Leandra rüber.
„Die Besichtigung holen wir später nach“, versprach er und eilte ins Haus, während die Frau zu Glenna ging.
Leandra verließ den Garten, um die Ställe aufzusuchen. Dort war ein junger Mann dabei, einen schönen Schimmel zu striegeln. Da er sie nicht bemerkte, konnte Leandra ihn in Ruhe betrachten. Er striegelte das Pferd nur halbherzig, und ab und zu stieß er einen sehnsuchtsvollen Seufzer aus.
„Harin?“
Er fuhr herum, und Schweiß trat auf seine Stirn.
„Wer bist du? Was machst du hier?“
Weil er sich so erschrocken hatte, ging Leandra gleich zur zweiten Frage über.
„Kannst du ruhig schlafen, nachdem was du vor sechs Nächten getan hast?“
Der Jüngling wurde bleich.
„Wovon redest du?“
„Das weißt du genau. Ich habe gedacht, dass ein Mörder
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