Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
vor einer Einzelzelle stehen. Dort saß ein Mann den Kopf auf die Knie gestützt, und lange, kastanienbraune Haare verbargen sein Gesicht.
„Gaukler Johar.“ Der Angesprochene blickte auf, und Timor sah, dass er zwei verschieden farbige Augen hatte. „Dieser Jüngling will dich sprechen.“
Die Wache entfernte sich einige Schritte, und Johar sah Timor an.
„Wer bist du?“
„Mein Name ist Timor, und ich würde gerne wissen, was wirklich passiert ist.“
Bitter lachte Johar auf.
„Warum solltest du mir glauben? In drei Tagen werde ich den Richter vorgeführt, und der hat mich schon verurteilt. Daran kann man nichts ändern, und wieso sollte es dich interessieren, was aus mir wird?“
Timor seufzte.
„Ich gebe zu, wenn mir kein Missgeschick widerfahren wäre, wäre ich nicht in dieser Stadt.“ Er zeigte die Münze. „Vielleicht kann ich den wahren Mörder finden.“
Johar schwieg eine Weile, schließlich sagte er: „Eine kleine Chance ist besser als gar keine, also werde ich dir erzählen, was geschehen ist. In unsere Gruppe bin ich für die Glücksspiele verantwortlich. Weil man auf dem Markt wenige Kunden findet, ging ich wie sonst auch in die Taverne Goldschimmer . Ich bin sehr gefragt, weil es kein Spiel gibt, das ich nicht beherrsche. Schließlich setzte sich ein junger Mann zu mir, und ich sah sofort, dass er reich war. Wir spielten einige Kartenspiele, bei denen er ein hübsches Sümmchen verlor. Als es spät wurde und ich aufhören wollte, wurde der Mann wütend. Er wollte unbedingt noch einmal mit mir spielen. Um aus dieser unangenehmen Situation wieder herauszukommen, bat ich das Schankmädchen um ein kleines Ablenkungsmanöver.“ Johar seufzte. „Leider ließ er sich nicht lange ablenken und holte mich in der Straße vor der Taverne ein. Aufgebracht beschuldigte er mich mit falschen Karten gespielt zu haben und ging auf mich los. In dem Handgemenge schlug ich ihn nieder und verschwand ich rasch. Wenig später soll einer der Gäste ihn mit durchgeschnittener Kehle gefunden haben, und am nächsten Morgen nahm man mich fest. Ich erfuhr, dass er ein Adeliger namens Aslam gewesen war. Bei Karuna, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nie mit ihm gespielt.“
„Warum?“
„Natürlich, da bei Adeligen dieser Stadt das Glücksspiel verboten ist.“
„Wie heißt der Gast, der ihn gefunden hat?“
„Ich weiß es nicht.“
„Das werde ich als Erstes herausfinden.“
„Meine Leute werden dir auf jede erdenkliche Weise helfen.“ Sein Lächeln wurde schräg. „Du hast ihnen nichts von Karunas Fluch erzählt, oder?“
Timor antwortete nicht, und Johar stand auf.
„Das dachte ich mir.“ Er trat ans Gitter heran und flüsterte: „Sag ihnen: Der Fluss, der dir heute den Weg versperrt, kann beim nächsten Mal seinen Lauf verändert haben.“
„Was sagst du dem Jungen?“, rief der Wachmann und kam näher.
„Nichts, außer dass er meiner Mutter berichten soll, dass es mir gut geht.“
„Du lügst doch.“ Mit zusammengekniffenen Augen starrte er Johar an, dann nahm er Timor am Arm. „Die Besuchszeit ist beendet. Komm.“
Timor ließ sich von der Wache hinausführen, wo er seinen Vater und Leandra alles berichtete.
„Du glaubst, dass er unschuldig ist?“, fragte Adain.
„Ich bin mir sicher. Der Mann, der Aslam angeblich gefunden hat, könnte auch der Täter sein.“
„Stimmt, und wenn es ein Bürger dieser Stadt ist, war es leicht für ihn, Johar zu beschuldigen, dennoch sollten wir keine voreiligen Schlüsse fällen.“
„Lasst uns zu den Gauklern gehen“, schlug Leandra vor. „Wir können ihre Hilfe gut gebrauchen, wenn wir mehr über Aslam herausfinden möchten.“
Nachdem Timor Johars Satz vor den Gauklern wiederholte, waren sie bereit, ihnen zu trauen, und machten sich gleich auf dem Weg, um Erkundigungen einzuziehen. Auf dem Markt fand man immer Leute, die großes Vergnügen daran fanden, über andere zu sprechen. So erfuhr Timor, dass Aslam der einzige Sohn des geachteten Fürsten Dural war, und obwohl das Glücksspiel bei Adeligen verboten war, hatte sich Aslam regelmäßig in die Tavernen geschlichen.
„Leandra, was machst du denn für ein Gesicht?“, fragte Timor überrascht, als er am vereinbarten Treffpunkt ankam und die Amazone mit verschränkten Armen und einen Ausdruck der Abscheu da stehen sah.
„Mir klingeln die Ohren. Ich kann nicht verstehen, wie man so schlecht über andere Menschen reden kann.“
„Na ja, was soll man sonst sagen, wenn es die Wahrheit ist?“
„Ich
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