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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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der früher seinen Job in Klagenfurt ausübte, ist dafür heute arbeitslos. Und der, der jetzt bis nach Klagenfurt dackelt, muss den Arbeitslosen mit seiner Leistung mitfinanzieren. Das ist nur ein Beispiel, das sich auf viele andere Lebensbereiche übertragen lässt.
    Da läuft einfach etwas falsch. Der Großteil von dem, was man mir so erzählt, was ich den Zeitungen entnehme und was Leute – sogenannte Experten – von sich geben, stimmt nicht. Sie lügen sich selbst an. Warum tun sie das? Weshalb legen sie Scheuklappen an? Wie kommt es, dass ein Auto, das früher 700 Kilogramm wog, einen Betrag von geschätzt 100 000 Schilling kostete – was heute circa 7.800 Euro wären –, das mit 80 PS sehr gut unterwegs war und nur sieben Liter Treibstoff benötigte, heutzutage zweieinhalb Tonnen wiegt, 250 PS hat und man stolz darauf ist, dass es auf 100 Kilometern „nur“ sieben Liter schluckt. Dieses Auto ist, ich schätze wieder, heute viermal teurer. Das ist doch kein Fortschritt, es ist ein Rückschritt!

Gültige Stimme
    Ich frage mich, wohin wir mit dieser Entwicklung wollen. Was ist der Zweck des Ganzen? Mir erscheint diese rasende Beschleunigung, dieses „immer mehr“, dieser angebliche Fortschritt, eigentlich als eine vom Sinn abgekoppelte Entwicklung. Also klipp und klar: Was ist das Ziel, auf das wir zusteuern? Ich denke zum Beispiel an Produkte, die uns verkauft werden und die wir alle wollen müssen. Zumindest dann, wenn es nach der Werbung geht, nach den Interessen der Konzerne, die angeblich so wichtig sind und so viel Fortschritt bringen sollen: Sie machen die Flatscreens noch flacher und noch größer, in einem noch kleineren Gerät hat jetzt noch mehr Musik Platz und das Bezahlen dieser Produkte wird noch einfacher, bis man irgendwann in einen Laden geht und nicht einmal mehr eine Kreditkarte benötigt, sondern vielleicht einen Chip eingesteckt hat, der beim Hinausgehen „weiß“, was man gekauft hat, und so weiter. Das Ziel ist mir dabei völlig unklar. Was wollen wir eigentlich?
    Denk an diese Unmengen von Lebensmitteln, die dann wieder weggeworfen werden. Man fragt sich inzwischen: „Wozu brauche ich eigentlich 30 oder 50 Fruchtjoghurtsorten in einem endlosen Kühlregal im Supermarkt?“ Es scheint sich eine totale Eigendynamik entwickelt zu haben: „Immer mehr, immer schneller, immer weiter.“ Aber der Sinn davon ist fragwürdig.
    Ich nehme zum Vergleich immer gerne den Neandertaler, denn der war auch ein Mensch und 95 Prozent der Zeit, die wir als Menschen auf dem Planeten verbracht haben, fallen in die Steinzeit. Das ist schon eine relativ lange Zeit. Wir gehen natürlich davon aus, dass die Zeit, in der wir jetzt leben, die einzig wahre ist und dass es davor praktisch nichts gegeben hat und jetzt alles „normal“ ist. Weil uns unsere Entwicklung als logisch erscheint, sagtman: „Das ist ja klar, der Mensch ist der Fortschritt, er entwickelt sich, das ist eben so.“ Wenn wir fragen: „Immer schneller, immer weiter, immer besser – worin liegt Sinn?“, dann gibt es für einen Neandertaler wohl nur eine einzige Antwort: „Weil ich auf der Flucht bin. Ich muss jetzt schneller laufen, weil der Säbelzahntiger gerade hinter mir herjagt.“ Also anscheinend sind wir momentan alle vor irgendetwas auf der Flucht und versuchen, immer schneller zu werden, um rascher fliehen zu können, aber in Wirklichkeit bleiben dabei immer Menschen auf der Strecke, nämlich jene, die aus irgendwelchen Gründen mit der Entwicklung nicht mithalten können. Sie bleiben übrig: die kleinen und mittleren Betriebe beispielsweise, die Bauern, alle, die in dieser Geschwindigkeit nicht mitkommen, aus verschiedenen Gründen. Sie alle bleiben übrig.
    Dazu fällt mir ein Witz ein:
    Zwei Tierforscher in Afrika verstecken sich in einem Busch, um einen hungrigen Löwen zu beobachten. Der Löwe wird auf sie aufmerksam, fängt an zu knurren und schleicht sich, seine Beute witternd, an die beiden heran. Die Forscher sitzen da und einer von ihnen sagt zum anderen: „Schnell, gib mir deine Turnschuhe“. Darauf antwortet der andere: „Glaubst du, du läufst mit Turnschuhen schneller als der Löwe?“
    „Nein“, antwortet der erste, „aber schneller als du!“
    Scheinbar sind wir alle auf der Flucht vor einem Löwen und alle bemühen sich, an die Turnschuhe zu kommen, damit der Löwe jemanden anderen frisst. Wir wissen, dass wir keine wirkliche Chance haben, dem Raubtier zu entkommen. Wir hätten die

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