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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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„Nickname“ – reicht völlig aus, um mit der gesamten Welt zu „kommunizieren“. Dann kannst du deinen Gesprächspartnern alles erzählen, was du willst. Nichts davon muss mehr stimmen. Das öffnet natürlich der Lüge und dem Betrug Tür und Tor.
    Wir Menschen haben den Wunsch, mit anderen Lebewesen in Kontakt zu treten, zu interagieren. Wahrscheinlich deswegen, weil die Interaktion für uns schon immer überlebensnotwendig war und sich evolutionär entwickelt hat. Indem sich die Menschen als soziale Wesen untereinander verständigen, sich mit anderen absprechen, Vereinbarungen treffen und gemeinsame Pläne schmieden mussten, war Kommunikation von jeher essentiell für das Überleben unserer Spezies. Ich bin sicher, dass andere Lebewesen auf dem Planeten auch miteinander kommunizieren, wenn auch auf einer anderen Ebene als wir.
    Clemens G. Arvay: Delfine zum Beispiel sind extrem hoch entwickelte Säugetiere. Erst neulich las ich in einem biologischen Fachjournal über diese faszinierenden Wesen. Delfine besitzen ein hochentwickeltes Bewusstsein und ein Selbst- Bewusstsein, also ein Wissen über ihre eigene Existenz, das bereits annähernd mit dem menschlichen vergleichbar ist. Betreffend die Sprache der Delfine geht die moderne Forschung davon aus, dass es in ihrer Lebenswelt nicht notwendig war, eine komplexe Sprache zu entwickeln, die unserer gleicht. Nichtsdestotrotz sind Delfine sehr intelligent.
    Roland Düringer: Bei uns Menschen war es offenbar aus evolutionären Gründen notwendig, komplexe Sprachsysteme und Grammatiken zu entwickeln. Wir könnten ja ohne unsere Sprache auch nicht denken. Versuche einmal ohne Worte, ohne Buchstaben zu denken. Das ist schwierig, oder? Vielleicht ist uns die Sprache als Beweis dafür, dass man denkt, so wichtig.
    Im Hinblick auf meine Kommunikationsmittel entschied ich jedenfalls im Rahmen meines Experiments, gleich einmal einige Systeme wegzulassen. Dazu gehört die E-Mail-Kommunikation. Ich verfüge über keine E-Mail-Adresse mehr. Gleich daraufkündigte ich meinen Vertrag für das Mobiltelefon und legte mir eine Festnetzleitung zu, wie es auch früher üblich war. Ich bin also nach wie vor telefonisch erreichbar, aber eben nicht immer persönlich. Natürlich rufe ich zurück, wenn ich auf meinem Anrufbeantworter Nachrichten vorfinde. Wenn ich aber nicht zu Hause bin, dann kann man mich nicht mehr jederzeit persönlich erreichen. Ich empfinde das für mich als eine sehr positive Entwicklung. Ich muss nicht immer und sofort erreichbar sein. Ich bin ja nicht die Feuerwehr. (lacht)
    Clemens G. Arvay: Ich selbst bin im Jahr 1980 geboren und habe die Zeit, in der man kein Mobiltelefon hatte, ebenfalls noch miterlebt. Mein erstes Handy kaufte ich im Alter von 20 Jahren. Bis zu diesem Moment hatte ich mir nie die Frage gestellt, ob es notwendig sei, immer erreichbar zu sein oder praktisch überall telefonieren zu können. Dann, mit der Zeit, gewöhnt man sich aber an das Mobiltelefon und es schleicht sich das trügerische Gefühl ein, es gehe nicht mehr ohne. Solche Geräte schaffen also Bedürfnisse, die wir davor nicht hatten, und verändern unsere Wahrnehmung. Wir gewöhnen uns so daran, dass wir die Zeiten regelrecht vergessen, in denen wir auch ohne die Möglichkeit, ständig und überall zu telefonieren, sehr gut leben konnten. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass wir gewisse Fähigkeiten, die wir früher hatten, durch Mobiltelefone verloren haben – wie zum Beispiel das vorausschauende Planen unserer Telefonkommunikation oder das Merken von Dingen, die wir unserem Gesprächspartner beim nächsten Telefonat sagen möchten, ohne die Möglichkeit zu haben, jeden Gedanken in Echtzeit via Handy zu übermitteln. Auch den Umgang mit öffentlichen Telefonen, die nicht immer verfügbar sind, haben wir verlernt.
    Wir haben vergessen, dass wir auch ohne Mobiltelefon alle Lebensbereiche sehr gut im Griff hatten. Technische Neuerungen,insbesondere in der Kommunikationsbranche, sind offenbar in der Lage, in uns Bedürfnisse – auch Abhängigkeiten – zu wecken, die davor nicht da waren. Das wiederum kommt der Industrie sehr entgegen, die unser Gewohnheitsverhalten und unsere Bedürfnisse durch ihre eigenen technischen Neuerungen aktivieren kann, um diese dann im Marketing und für den Konzernprofit anzuzapfen.
    Roland Düringer: Ich stamme aus einer Generation, in der es einfach keine Mobiltelefone gab. Punkt. Das Dilemma ist ja, dass die jungen und jüngsten

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