Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
werden uns bald entscheiden, welche Wege wir in Zukunft beschreiten wollen: Die breiten, ausgefahrenen Autobahnen oder stattdessen kleine, neue Wege. Und diese Entscheidung muss wohl jeder für sich treffen.
Keine Angst vor Entscheidungen!
Wenn es zum Zeitpunkt X zwei mögliche Wege gibt, die ich einschlagen kann, und ich entscheide mich für den einen, dann ist diese Entscheidung sowohl falsch als auch richtig. Das liegt daran, dass ich nie erfahren werde, wie es gewesen wäre, den anderen Weg zu wählen. Ich kann den anderen Weg zwar zu einem späteren Zeitpunkt gehen, es ist dann aber nicht derselbe Weg, den ich zum Zeitpunkt X gegangen wäre.
Wenn ich mich für ein Studium entscheiden muss und ich schwanke zwischen Medizin und Jura, dann beginne ich – nehmen wir das einfach einmal als Beispiel an – Jura zu studieren. Aus welchen Gründen auch immer. Wenn mir dieses Studium nicht gefällt, und ich sattle zwei Jahre danach doch noch auf Medizin um, werde ich nie erfahren, wie es mir mit Medizin ergangen wäre, wenn ich mich gleich dafür entschieden hätte. In den zwei Jahren haben sich zu viele Parameter verändert.
Clemens G. Arvay: Du meinst also, es hätte auch sein können, dass du zuerst mit Medizin beginnst, dann aber entscheidest, doch Jura zu studieren, weil dir die Erfahrung darüber fehlt, was es bedeutet, dich zum Juristen ausbilden zu lassen. So aber hast du schon ein Bild des Jurastudiums und bleibst vielleicht gerne bei Medizin.
Roland Düringer: Du weißt dann schon, was Jura ist. Andersherum hättest du vielleicht während des Medizinstudiums ständig die offene Frage, ob du nicht vielleicht doch Jura hättest wählen sollen. Darum sollten wir versuchen, keine Angst vor Entscheidungen zu haben. Das möchte ich damit sagen.
Ich habe keine Angst vor Entscheidungen, weil nichts passieren kann. Oder besser: Es kann entweder nichts passieren oder es kann alles passieren. Aber beides ist „richtig“, weil wir ohnehin nicht in die Zukunft sehen oder die Frage „Was wäre, wenn …?“ beantworten können. Es ist wie bei Schrödingers Katze: Stecke ich eine Katze in einen Karton und steche einmal mit geschlossenen Augen auf diesen Karton ein, dann höre ich die Katze aufschreien. Aber ob sie tot ist oder nicht, erfahre ich erst dann mit Gewissheit, wenn ich den Karton öffne und nachsehe. Das ist natürlich nur ein Gedankenexperiment und niemand sollte auf die Idee kommen, den Versuch mit der Katze tatsächlich durchzuführen.
Ich weiß aber auch, dass jede Entscheidung, die ich treffe, mein Leben nachhaltig beeinflusst. Es werden sogar die Leben anderer Menschen rund um mich beeinflusst. Entscheide ich mich dafür, nicht mehr in Supermärkten einzukaufen, sondern einfach bei Bauern, dann beeinflusse ich dadurch zuerst mein eigenes Leben wobei ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen kann, ob es richtig oder falsch ist. Es ist eben potenziell beides. Womöglich aber beeinflusse ich mit der Entscheidung gegen Supermärkte auch die Entwicklung der Welt, den Verlauf der Geschichte.
Für mich hat sich jedenfalls ohne Supermärkte einiges zum Positiven verändert. Wie positiv meine Entscheidung für die Entwicklung der Gesellschaft sein wird, kann ich derzeit nicht beantworten. Wir alle wissen nicht, was noch auf uns zukommen wird. Aber ich habe für mich eine Entscheidung getroffen. Und das ist ein gutes Gefühl.
Ich stehe hinter dem, was ich in meinem Experiment mache, gestalte mein Leben in dieser Form aus Überzeugung. Ich wäre aber ein Lügner, würde ich sagen: „Das, was ich tue, ist richtig!“ Daher versuche ich auch – und das ist vielleicht die größte Aufgabe, die mir mein Leben derzeit stellt –, andere Menschen bewusst nicht zu verurteilen für das, was sie tun oder was sie nicht tun.
Wir wissen nicht, wie die Geschichte weitergeht.
Traumhafte Angebote von Roland Düringer
Dies ist eine Geschichte aus einem Programm mit dem Titel „Düringer ab 4,99“, die ich als Beitrag für Clemens’ Buch „Friss oder Stirb – Wie wir den Machthunger der Lebensmittelkonzerne brechen und uns besser ernähren können“ dem Titel entsprechend adaptiert habe. Sie werden diese Geschichte im oben genannten Buch aber nicht finden. Scheinbar fand sie der Verleger unpassend.
Hier passt sie jedenfalls gut und Bernhard, unser Verleger, ist diesbezüglich sicher entspannt:
Wie jeden Morgen führt mich mein erster Weg auch heute wieder durch meinen spätsommerlichen Garten. Die Natur in all
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