Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
einzahle, ist nichts anderes als ein Kredit an die Bank. Ich borge der Bank mein Geld und ich will denen eigentlich nichts borgen. Irgendwann werde ich zur Bank gehen und sagen:
„Ich möchte Geld auf mein Konto einzahlen, aber ich hätte gerne ein paar Sicherheiten von Ihnen, bevor ich Ihnen mein Geld borge“.
Ich habe wieder damit angefangen, ein Haushaltsbuch zu führen, in dem ich dokumentiere, wann ich wie viel Geld ausgegeben habe und wofür. Man behält dann den Überblick der Ausgaben. So haben wir es in den Siebzigern zu Hause auch gemacht.
Lebensmittel
Nachdem ich mit der Führung dieses Haushaltsbuchs begonnen hatte, war ich zunächst erschrocken darüber, wie viel Geld ich fürs Essen ausgebe. Dabei ist es bei genauer Betrachtung gar nicht viel.
Wir glauben, die Lebensmittel seien teuer, obwohl in Österreich und Deutschland nur etwa 12 bis 15 Prozent des Einkommens für die Ernährung ausgegeben werden, der Rest dann für Industriegerümpel. In meiner Kindheit investierte meine Familie noch 75 Prozent ihres Gelds in Lebensmittel. Daher kam auch der Ausdruck „sich etwas vom Mund absparen“.
Das bedeutet, wenn man etwas haben wollte, eine größere Anschaffung tätigen musste, dann musste man beim Essen sparen, um das Geld zur Verfügung zu haben. Heutzutage ist das Verhältnis ganz anders. Es gibt zwei Dinge, die in meinen Augen viel zu billig sind: Das ist einmal der Treibstoff und andererseits sind es die Lebensmittel.
Wenn ein ein Kilo Schulterfleisch im Supermarkt 2,99 Euro kostet, muss ich mich fragen, wie das möglich sein kann. Wer bezahlt das, wer subventioniert es? Wer leistet da etwas, damit ich um derart wenig Geld Fleisch essen kann? Lebensmittel kosten viel zu wenig, weswegen viele so fett sind. Wir fressen zu viele billige, schlechte Lebensmittel und kaufen uns dafür jede Menge Industriegerümpel. Das nennt man dann „Lebensqualität“, „Wohlstandsvermehrung“.
Während wir viele Dinge ersatzlos aus unserem Konsum streichen könnten, sollten wir bei Lebensmitteln nach Alternativen suchen.
Am Anfang des Jahres 2013 habe ich die Entscheidung getroffen, den Einkauf in Supermärkten bleiben zu lassen, und zwar ganz einfach deswegen, weil ich in meiner Kindheit miterlebte, wie die Supermärkte in den Städten wie Pilze aus dem Boden schossen.
Meine Aufgaben zu Hause waren, regelmäßig Kohle aus dem Keller zu holen, den Müll hinunterzutragen und manchmal einkaufen zu gehen. Bei uns in der Quellenstraße gab es ein Lebensmittelgeschäft, einen „Milchmann“. Ich stand immer mit dem Einkaufszettel im Verkaufsraum und reichte diesen dem freundlichen Herrn Wagner, dem der Laden gehörte.
Es gab zwei Sorten Brot, gestaubtes und nicht gestaubtes. Von der Milch gab es überhaupt nur eine Sorte. Manchmal bekam ich etwas zu Naschen geschenkt – ein Naps oder ein Stollwerk – und ich traf in dem kleinen Laden Leute, die ich aus dem Haus kannte, mit denen man plaudern konnte. Diese Zeit war zu Ende, nachdem mein Vater den Führerschein gemacht hatte.
Kaum hatten wir ein Auto, ließen wir Herrn Wagner mit seinem kleinen Laden im Stich. In dieser Zeit begann bei uns das Greißlersterben, also das Aussterben der Tante-Emma-Läden. Anstatt mich zum Einkaufen zu schicken fuhren meine Eltern von nun an zum Supermarkt. In der Laxenburgerstraße in Wien gab es einen löwa und in der Zentagasse den pampam. Unser Briefträger brachte regelmäßig Werbematerial der Supermärkte an unsere Wohnungstür, noch schwarz-weiß und in sehr schlechter Qualität gedruckt. Man konnte aber erkennen, was es gerade im Angebot gab. Meine Mutter fing an, sich laufend alle aktuellen Angebote herauszuschreiben und dann fuhr sie mit meinem Vater ein- bis zweimal pro Monat, mit riesigen Reisetaschen bestückt, zum Großeinkauf.Herrn Wagner ließen wir sterben. Man konnte zusehen, wie bei uns ein Lebensmittelgeschäft nach dem anderen zusperrte. Das bedeutet, dass auch meine Eltern dank der Automobilität ihren Teil dazu beigetragen haben, die Supermärkte in Wien zu etablieren.
Für mich ist es alleine aufgrund dieser Entwicklung völlig klar, dass ich keine Supermärkte mehr nutzen möchte, zumal es bei mir auch schon so weit war, dass ich mich jedes Mal, wenn ich in so einen riesigen Supermarkt ging, ein wenig überfordert fühlte. Die vielen Eindrücke ermüdeten mich. Das fing bei der Musik an, die den ganzen Tag da drinnen läuft. Und dann diese vielen bunten Sachen – da wird dir richtig
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