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Lebe deine eigene Melodie

Lebe deine eigene Melodie

Titel: Lebe deine eigene Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
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besitzt man auch die Freiheit, sich diese Erkenntnis einzugestehen: Ich muss nicht alles sein. Und dann erhobenen Kopfes weitergehen, ohne sich zu verurteilen.
    Das Entscheidende ist wohl, seine Lebenswünsche zu unterbrechen und zu fragen: Sind sie überhaupt alltagstauglich? Bringen sie wirklich neuen Sinn in mein Leben? Sind sie geeignet, mir zu zeigen, was ich wirklich brauche? Oder sind sie womöglich ein Traum, der mich weiter fremdbestimmt sein lässt? Der mich mit neuen Erwartungen und Vorschriften nötigt? Ist eine Verschmelzung von Wunsch und Wirklichkeit überhaupt realisierbar? Komme ich auf diese Weise in meine Kraft?
    Viele weichen diesen Fragen aus und folgen eher ihrer Angst und nicht ihrer Sehnsucht nach Leben. Manche werden krank, um festzustellen, was ihnen fehlt. Hier taucht die Frage auf, wie können wir an das herankommen, was von uns noch gelebt werden will. Hilfreiche Vorstellungen dafür hängen mit dem Bild zusammen, das wir von uns selbst als gereiften Menschen haben. Die Entwicklungsaufgabe besteht darin, hoch narzisstische Ziele, die auf Größenfantasien abzielen, so zu hinterfragen und zu transformieren, dass sie auch alltagstauglich sind. Das heißt zu prüfen, aus welchem Winkel der Seele sie stammen und abzuwägen, was die eigene Seele wirklich braucht, um Flügel zu bekommen.
    In seinem Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« spricht Robert Musil vom Möglichkeitssinn, dem er dem
Realitätssinn hinzugesellt. In beiden Begriffen steckt das Wort Sinn, dessen frühe Bedeutung lautet: einer Fährte nachgehen, eine Spur verfolgen. Man braucht seine fünf Sinne, um sich in der Realität zurechtzufinden, aber der Möglichkeitssinn bedarf noch eines sechsten Sinnes: der Intuition. Sie gibt uns das Gespür für das, was auch sein könnte, was außerhalb des Gewohnten möglich wäre, dessen Spur man aufnehmen soll, um dem eigenen Lebenssinn entgegenzugehen. Für Musil ist dieser Sinn ebenso schöpferisch wie der Eigensinn.
    Augenzwinkernd wendet man den Begriff »Eigensinn« auf Kinder an, und bei den Älteren heißt er Starrsinn. Eigensinnige Kinder bekommen Anerkennung, während der Starrsinn abwertend mit dem Alter assoziiert wird. Ist es nicht angemessener, vom Alterseigensinn zu sprechen? Weil sich darin Wertschätzung, Akzeptanz für die Erfahrung und Kompetenz Älterer besser ausdrückt. Und weil es ehrlicher ist zu akzeptieren, dass Menschen kompliziert sind, wie sie immer schon waren – und wie Menschen nun einmal sind. Das zu akzeptieren ist auch ein Zeichen von Respekt. Ohne diesen Eigensinn wäre das Finden und Erfinden neuer Sichtweisen, neuer Freiräume außerhalb zweckorientierter Denkstrukturen schlecht möglich. Die positive Seite des Eigensinns ist nicht nur Schutz vor Anpassung, sondern auch Übersicht. Außerdem ist es immer noch besser, ein Querdenker zu sein, als von allen guten Sinnen verlassen zu bleiben. Wer nicht eigensinnig denken kann, ist in immer gleichen Spuren gefangen. Das kann so weit gehen, dass man sich immer kurzsichtiger in unwichtigen Details und Abläufen verliert, und am Ende gar nicht mehr weiß, wohin man eigentlich wollte.
    Die Lebenssituation von außen zu betrachten und sich vorzustellen: »Wenn ich die Zeit hätte, endlich das zu tun,
was ich schon immer tun wollte ... Wenn ich nichts mehr beweisen müsste ...Wenn ich spüren würde, was mir zutiefst fehlt ...«, könnte sehr heilsam und der Beginn von ungeahnten Veränderungen sein. Selbst wenn uns die Notwendigkeit, berufstätig zu sein und Geld verdienen zu müssen auch weiterhin in der Welt der Zeitdiebe festhält, ist unsere Bewegungsfreiheit und der Raum, ein kreatives Doppelleben zu führen, größer, als wir meist wahrhaben wollen. Andere Richtungen zu finden und einzuschlagen, die unser Leben neben seiner Alltagswirklichkeit anbietet, bedarf des Gespürs und der Intuition. Sie beide haben ihre Wurzel in unserem kindlichen Eigensinn, aus dem sich auch unser reifer Eigensinn speist. Auf der Suche nach jener eigensinnigen Wahrnehmung, mit der wir früher den Dingen auf der Spur waren, werden wir eher fündig, wenn wir uns auf das Hinschauen, Hinhorchen, Hinspüren ausrichten. Das gelingt besser im Leisen, Stillen. Und es bedeutet Verzicht. Verzicht auf den passiven Konsum von Unterhaltung und Verzicht auf die Erwartung, andere mögen es uns geben. Es will selbst erahnt, erspürt, erträumt, erhascht werden.

»Wir bereuen nur das, was wir nicht getan haben.«
    Amerikanische Autos haben einen

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