Lebe deine eigene Melodie
Füße warm sind. Und weil sie die Früchte ihrer Großzügigkeit genießen und zu teilen verstehen. Muss es wirklich um jeden Preis ein Mann sein, um nicht allein zu sein, wenn er die Neugier verhindert, Abenteuer verbietet, Freundschaften erschwert, Beschäftigungen stört, Hobbies abwürgt? Wer allein lebt ist Meister seines Lebens, er kann mit seinem Tag anstellen, was er will. Und wenn die Alleinstehenden sich gegenseitig die Hände reichen würden, wäre diese Welt sicher um einiges wärmer. Es ist das großzügige Herz, das warme Gemüt, das unser Leben groß macht, und nicht ein Mann.
»In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.«
Dieser Rat von dem österreichischen Satiriker Karl Kraus ist humorvoll gemeint, zeigt aber die Richtung an. Tatsächlich ist eine Prise Humor oder Witz ein Lebenselixier, das entkrampft, relativiert, erlöst, befreit. Im letzten Drittel unseres Lebens brauchen wir es mehr denn je. Es ist nicht nur die Vergänglichkeit der Zeit, des Körpers und der Attraktivität, die wir betrauern. Oft ist es gerade dieser gutgemeinte Trost, der nur schwer zu ertragen ist, diese »Kopf-hoch«-Appelle oder diese doppelbödigen Komplimente: »Du siehst doch noch sehr attraktiv aus«, »Du wirkst doch noch total fit«, die noch zu den etwas netteren Beleidigungen gehören. Früher wären wir bei Kränkungen oder in tristen Zeiten in Tränen ausgebrochen oder in Selbstmitleid versunken. Heute, da wir uns mit beiden Beinen fester auf der Erde fühlen, überlegen wir eher, ob das Ganze nicht eher etwas zum Lachen ist.
Mit Humor durchstehen wir gelassener die Höhen und Tiefen der verbleibenden Zeit. Humor ist gepaart mit Wissen, Verstand und Klugheit und eignet sich bestens als Ventil für Gefühle, ohne zu verletzen. Humor kommt nicht schenkelklopfend, aufgeregt oder prustend daher, eher behutsam, diplomatisch, leise. Humor ist Wissen mit einem Lächeln. Humor ist mir heilig, weil er dafür sorgt, dass selbst verfahrene Situationen eine Prise Vergnügen erlauben. Man muss gut hinhören, um seine Pointen nicht zu verpassen. Und das Wichtigste: man muss von sich selbst absehen und über sich selbst lachen können. Das können leider nicht alle.
Wie übt man humorvolles Verhalten? Indem man einmal den Gedanken durchspielt: Die oder der andere ist so
stark wie ich selbst – er ist ich selbst. Anders gesagt: Nicht nur die anderen sind die Hölle, die anderen sind wir auch immer (uns) selbst. Das wäre bedenkenswert. Humor fordert einem eine Perspektive ab, die Schwächen erkennt und annimmt. Die eigenen wie auch die der anderen. Im Gegensatz zur Ironie, die sich unverbindlich gibt, Gefühle nicht direkt zeigt, und deshalb eher etwas für Feiglinge ist.
Der Schauspieler Peter Fricke, der noch mit 71 Jahren auf der Bühne der Komödie spielt, meint: »Humor verzaubert mir das Leben und damit auch das Alter mit seinen Begleiterscheinungen.« Für ihn ist der Humor ein Himmelsgeschenk, das jede Ideologie zersetzt. Nur leider wird uns das erst spät bewusst. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Wenn die kleinen Träume ausgeträumt sind – Prinzessin werden, Präsidentin werden, Popsängerin werden – und die großen Wünsche sich langsam ausgelebt haben oder ausschleichen, bleibt immerhin noch die Würze des Humors, die uns hilft, über manches einfach hinauszuwachsen. Und irgendwann ist man ohnehin zu alt für die meisten Wünsche.
Humor wurde einst als Resultat dessen verstanden, wie die Körpersäfte (humores) gemischt sind. Ohne über die eigenen Körpersäfte Indiskretes zu verbreiten, bin ich überzeugt: Lachen und Fühlen gehören zusammen. Wer lacht, der fühlt, und wer fühlt, der lacht auch. Die Vorstellungen von Humor ändern sich mit den Jahren. Schon die Unterscheidung zwischen Späßen, Witzen, Farcen, Torheiten, Ironie, Sarkasmus enthält versteckte Hinweise auf Lebensalter. Als Kinder kannten wir Späße, Albernheiten, Witze, als Jugendliche kannten wir Verrücktheiten, Torheiten, als Erwachsene die distanzierte Ironie, den bissigen Sarkasmus, den verächtlichen Zynismus, und als Ältere gehört uns der Humor, der verzaubert, befreit, aber nicht verletzt oder beschämt.
Der Humor zeigt das, was wir offiziell nicht sein dürfen oder nicht sein wollen, aber eben dennoch sind. Er relativiert, was offiziell gilt, und er macht geltend, womit wir innerlich nicht einverstanden sind. Humor ist aber nicht nur eine Waffe gegen Anpassungszwänge, sondern auch ein
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