Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebe deine eigene Melodie

Lebe deine eigene Melodie

Titel: Lebe deine eigene Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
Vom Netzwerk:
wirkungsvolles Mittel gegen die eigene Grandiosität und Überheblichkeit gegen andere. Er ist schlechthin Voraussetzung zur Relativierung des eigenen Ichs und damit einer der wichtigsten Schlüssel zur Selbsterkenntnis: dass wir herzhaft über uns selbst lachen können. Humor versöhnt mit dem Unverfügbaren, dem Unabwendbaren, dem Schweren, denn er offenbart, dass jedes Geschick, jeder Plan, jedes Missgeschick letztlich unverfügbar sind. Ich plane und Gott lacht! Und er befreit, weil er unsere Schwächen zeigt. Er zeigt uns menschlich, indem er die Wahrheit ermöglicht.
    Ich gebe eine Szene beim Friseur wieder: Die Friseuse sagt einschmeichelnd zu ihrer Kundin: »Sie sehen so jung aus. Sicher gehen Sie immer früh ins Bett und machen Yoga.« Die Dame antwortet: »Schon, aber ich bin auch geliftet.« Die Friseuse gibt nicht auf: »Aber an Ihrer Haut sehe ich, dass Sie viel Wasser trinken und sicher essen Sie abends keine Kohlehydrate.« Sie reagiert genervt: »Klar trinke ich, aber trotzdem bin ich geliftet, wie soll man das denn anders hinkriegen?«
    Humor erlaubt uns, mehr zu merken, mehr zu fühlen, als wir uns das normalerweise gestatten. Wir riskieren Offenheit oder Narrenfreiheit, die wir Kindern und beherzten Menschen zuschreiben, weil sie merken und sagen dürfen, was man normalerweise nicht denken und aussprechen darf oder mag. Deshalb gehen Fühlen und Humor Hand in Hand. Beide leben davon, dass anerzogene Gefühle und Merkverbote aufgehoben sind. Wir dürfen wahrnehmen und sind befreit von der Anstrengung, uns zusammenzuhalten,
zurückzunehmen und wegzumachen. So wird das Gesicht weit und weich, es wird zum Nährboden für eine Schönheit, die sich irgendwann in unseren Lachfalten eingraviert. Fazit: Humor macht nicht nur klug, er macht auch liebenswert und schön. Er erlaubt uns, eigensinnig zu sein und zu widersprechen. Deshalb können Angepasste und Perfektionisten nicht leicht lachen, sie klammern sich an Sicherheiten, Regeln und Gehorsam. Ihnen fehlen die Spielräume, das gelöste Loslassen, das unbeschwerte Sich-Einlassen, das Ausgelassene. Ihre Stimmungslage erlaubt nur wenig Schwankungen. Ordnung, Zuverlässigkeit heißt ihr Käfig, und aus dem gibt es kein Entkommen.
    Je größer der Anpassungsdruck, desto wichtiger ist der Humor, der uns wenigstens noch Inseln verschafft, auf denen wir uns selbst wiedererkennen dürfen und uns zugestehen dürfen, dass wir zwar nach außen anders erscheinen, aber innerlich doch nicht so viel anders sind. Und das ist vielleicht der Kern des Humors, dass wir entdecken dürfen, dass wir, so hochindividuell und souverän wie wir auch scheinen mögen, in Wirklichkeit doch immer das bleiben, was wir schon immer waren, nämlich menschlich, allzumenschlich.
    Wer konnte es uns besser vor Augen führen als Loriot? Warum lieben wir seine Möpse? Weil wir lachend sagen dürfen: Das sind ja wir. Ja vielleicht sogar treffendere Wirs als wir selbst. Auch in uns lebt mehr Tier, als uns lieb ist. Doch glücklicherweise zeigt Loriot uns die Möpse als stellvertretende Menschen, die genau das leben, was wir nicht leben dürfen, oder uns verkneifen, zu leben. Im Deutschen tut man sich schwer mit dem Humor. Alles, was als leicht etikettiert wird, erzeugt gern Stirnrunzeln und hochgezogene Augenbrauen und gilt als oberflächlich oder unseriös. Man kann sich sein Leben aber auch durch zu viel Ernst
verscherzen. Denn gerade das Leichte öffnet eine Stelle in unserem Herzen, die sich ohne Humor nicht öffnen würde. Ich schnappe einen kurzen Dialog auf, wo einer fragt: »Was machen wir jetzt?« Antwort: »Das Falsche, aber richtig verrückt.« Wir sollten das Leichte nicht unterschätzen. Das Leichte ist niemals nur leicht. Es ist auch nicht das Gegenteil von Ernst, sondern ein leichterer Aggregatzustand des Ernstes. Wer das Leichte riskiert, nimmt auch das Ernste ernst genug.
    »Möpse können«, wusste Loriot, »wie Menschen im Alter figürlich etwas nachlassen, jedoch an Ausdruck gewinnen.« Vielleicht kommt durch sie etwas Wärme, Gelassenheit und Menschlichkeit in unsere alt gewordenen Herzen. Warum sollten wir sie uns nicht hin und wieder bei Loriots liebenswürdigen Möpsen mopsen? Das wärmt in kargen Zeiten und ist unendlich viel gesünder als eine Welt, in der man nichts mehr zu lachen hat.

»Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann.«
    »Nachdenken und abwägen möchte ich selber«, meinte ein Angestellter zu seinem Vorgesetzten. Er mag es nicht, dass man sein

Weitere Kostenlose Bücher