Lebe die Liebe
der Tür, Frau Rechtsanwältin«, sagte der Aufseher, während Chad sich auf einen der Stühle fallen ließ.
Diana dankte dem Mann und wandte sich dann ihrem Klienten zu. Er sah jünger aus als auf den Bildern. Seine dichten Haare waren ungekämmt, und seine dunklen Augen starrten uninteressiert in den Raum. Dann fiel Dianas Blick auf seine Hände. Sie waren ständig in Bewegung, er ballte sie zu Fäusten, öffnete sie wieder, verschränkte sie ineinander. Wenn ihm auch sonst nichts anzumerken war, so verrieten seine Hände doch die Nervosität, die in dem Jungen steckte.
»Ich bin Diana Blade«, begann sie ruhig und gestand sich gleichzeitig ein, dass auch sie nicht frei von Nervosität war. »Ich werde Ihren Fall übernehmen, wenn Sie damit einverstanden sind.« Chad zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und gab keine Antwort. »Mr. MacGregor hat bisher mit Ihnen und Ihrer Mutter gesprochen, aber er hat Ihre Sache an mich weitergegeben, weil ich mehr Zeit habe, mich intensiv um Ihre Verteidigung zu kümmern.«
»Kann eine Frau denn überhaupt einen Mann verteidigen, der wegen Vergewaltigung angeklagt wird?«, fragte er unfreundlich, vermied es aber immer noch, Diana direkt anzusehen.
»Sie werden die beste Verteidigung bekommen, die ich Ihnen geben kann. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass ich eine Frau bin«, antwortete Diana. »Sie haben Mr. MacGregor bereits die ganze Geschichte erzählt. Ich möchte Sie bitten, sie mir noch einmal zu schildern.«
Chad rutschte auf seinem Stuhl herum und legte dann lässig einen Arm über die Lehne. »Haben Sie eine Zigarette?«
»Nein, ich bin Nichtraucherin.«
Er murmelte etwas, das Diana nicht verstand, und zog dann eine zerknüllte Zigarettenschachtel aus seiner Hemdtasche. »Wenigstens hat dieser MacGregor mir eine Frau geschickt, die gut aussieht«, sagte er und ließ seinen Blick provozierend über Dianas Körper wandern. Sie wartete geduldig ab, bis er ihr zum ersten Mal ins Gesicht sah.
»Meinen Sie nicht, wir sollten dieses Geplänkel lassen und endlich zur Sache kommen?«
Überrascht zog er die Brauen hoch. »Sie haben doch den Polizeibericht in den Akten, was soll ich da noch viel erzählen?«, fragte er aggressiv und zog an seiner Zigarette.
»Schildern Sie mir, was an jenem zehnten Januar geschah.« Diana holte einen Block und einen Kugelschreiber aus ihrem Aktenkoffer und wartete. »Chad, Sie stehlen mir meine Zeit«, sagte sie schließlich, als der Junge keine Anstalten machte, mit seinem Bericht zu beginnen. »Und außerdem verschwenden Sie das Geld Ihrer Mutter.«
Er stieß den Rauch der Zigarette aus. »Am zehnten Januar bin ich aufgestanden, habe geduscht, mich angezogen, gefrühstückt, und dann bin ich zur Arbeit gegangen.«
Diana beschloss, sich von ihm nicht provozieren zu lassen. »Sie arbeiten als Mechaniker in der Mayne-Werkstatt?«, fragte sie ruhig.
»Ja.« Diesmal sah er sie an und grinste. »Soll ich Ihr Auto frisieren?«
Diana ging nicht darauf ein. »Waren Sie den ganzen Tag über in der Werkstatt?«
»Ja.« Wieder blies er betont langsam den Rauch aus. »Wir hatten eine Reparatur an einem Mercedes durchzuführen. Für ausländische Wagen bin ich nämlich zuständig.«
»Und wann haben Sie Feierabend gemacht?«
»Um sechs«, antwortete er schon etwas bereitwilliger.
»Wohin sind Sie dann gegangen?«
»Nach Hause, zum Abendessen.«
»Und dann?«
»Na, was schon? Ich bin ausgegangen. Hab mich umgesehen, was an dem Abend so auf der Straße war, verstehen Sie?«
»Und wie lange sind Sie so rumgelaufen?«
»Ein paar Stunden.« Chad zog so heftig an seiner Zigarette, dass sie rot aufglühte. »Und dann hab ich Beth Howard vergewaltigt.«
Diana gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie dieser Satz getroffen hatte. Sie schrieb weiter, und ohne aufzusehen fragte sie: »Chad, wollen Sie Ihre Aussage ändern?«
Er lehnte sich nach vorn, eine Hand zur Faust geballt. »Ich hab nur eingesehen, dass ich nicht durchkomme mit dem, was ich bisher gesagt habe.«
»Gut, erzählen Sie weiter.« Als er schwieg, sah Diana ihn an. »Schildern Sie die Vergewaltigung.«
»Macht Sie das etwa an?«
Sie blieb ganz ruhig und überging geflissentlich die Frage. »Haben Sie zuerst Ihren Wagen geholt?«
»Ja.« Die Zigarette war so weit heruntergebrannt, dass er sich jeden Moment die Finger verbrennen musste. »Beth kam gerade aus dem Kino, und da hab ich ihr angeboten, sie nach Hause zu fahren. Wir beide sind zusammen
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