Lebe die Liebe
Und sie …« Dianas Stimme brach ab, sie blieb stehen und schüttelte verständnislos den Kopf. »Wie ist es möglich, dass diese Frau ihren Mann noch liebt?«
»Meinst du wirklich, sie liebt ihn?«, fragte Caine, kam auf sie zu und griff nach ihren Händen. »Diana, kannst du dir nicht vorstellen, dass diese Frau mehr Angst davor hat, mit ihrem Kind allein zu leben, als davor, wieder von ihm geschlagen zu werden?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht.« Nachdenklich sah Diana vor sich hin. Was wusste sie schon von der Liebe? Auf diesem Gebiet hatte sie keine Erfahrung. Sollte Liebe wirklich nur bedeuten, dass sie einen erwachsenen, intelligenten Menschen zum Spielball seiner Gefühle machte? »Sie glaubt, dass sie ihren Mann liebt, und dafür riskiert sie alles.«
»Diana, wir sind Anwälte«, erinnerte Caine sie und drückte ihre Hände, »keine Psychiater. Irene Walkers Probleme gehen uns nichts mehr an.«
»Ich weiß.« Diana seufzte tief auf und sah ihn an. »Aber es ist so frustrierend zu wissen, dass ich ihr hätte helfen können, vielleicht sogar dem Mann, wenn ich ihn dazu hätte bringen können, zu einer Beratung zu gehen. Aber jetzt …«
»Jetzt nimmst du die Akte«, unterbrach Caine sie, »und heftest sie ab. Eine andere Möglichkeit hast du nicht.«
»Schade.«
»Ja, es ist schade, aber nicht zu ändern. Wenn uns auf diese Weise ein Fall entzogen wird, müssen wir uns damit abfinden.«
»Im Studium scheint alles so einfach zu sein«, murmelte Diana mehr zu sich selbst. »Da gibt es Gesetze, und die sagen dir genau, was richtig und was falsch ist. Aber dann, wenn du das Studium hinter dir hast und in einer Kanzlei sitzt, dann hast du es plötzlich nicht nur mit Gesetzen zu tun, sondern mit Menschen. Ich hätte ihr so gerne geholfen, Caine.«
»Aber du kannst niemandem helfen, der diese Hilfe gar nicht will, Diana.«
»Und Irene Walker will sie nicht.« Diana nickte, aber der Ausdruck ihrer Augen zeigte, dass sie sich damit immer noch nicht abgefunden hatte.
Wie sollte sie Caine auch klarmachen, dass sie es als persönliche Niederlage ansah, dass ihr erster wirklich wichtiger Fall nicht zu einem guten Abschluss gebracht werden konnte? Während sie sich in den Fall vertieft hatte, war Diana das Gefühl nicht losgeworden, dass sie sich auch selbst helfen würde, wenn es ihr gelänge, Irene Walker aus diesen Fesseln zu befreien. Ähnliche Fesseln hatte sie ja auch gespürt, wenn sie sich bei ihr auch nicht handgreiflich, sondern gefühlsmäßig bemerkbar gemacht hatten.
»Ich hätte ihr helfen können. Ganz bestimmt«, wiederholte Diana noch einmal.
Caine erkannte, wie sehr sie dieser Fall mitgenommen hatte. Er hätte ihr so gern geholfen, aber sie schien erstarrt zu sein, wollte ihn nicht an sich heranlassen. »Diana, du darfst dich nicht so in einen Fall hineinsteigern, glaub mir.«
»Das musst du schon mir überlassen«, gab sie schnippisch zurück.
Caine wusste, dass es besser wäre, sie jetzt in Ruhe zu lassen, und doch bohrte er weiter, versuchte noch einmal, an sie heranzukommen. »Ich habe einmal einen jungen Mann verteidigt, der betrunken einen Autounfall verursacht hatte. Ich habe ihn mit einer geringen Strafe freibekommen – und drei Monate später hatte er erneut einen Unfall, war wieder betrunken, und sein Beifahrer wurde bei diesem Unfall getötet.« Caine sah sie eindringlich an. »Der junge Mann, der mit in dem Auto gesessen hatte, war siebzehn Jahre alt.«
»Oh Caine!« Diana griff nach seinen Händen und hielt sie fest.
»Es gibt wohl keinen Anwalt, der solches oder Ähnliches nicht schon einmal erlebt hat. Damit müssen wir leben, Diana.«
»Du hast recht.« Diana ließ seine Hände los und griff nach der Akte Irene Walker. »Der Fall ist abgeschlossen«, murmelte sie und legte die Akte in die Schublade.
»Lucy hat mir erzählt, dass du in der nächsten Woche Termine mit zwei neuen Klienten hast.«
»Ja, ich kenne sie von Barclay«, antwortete Diana. »Offenbar waren sie mit mir zufrieden, sonst würden sie ja wohl jetzt nicht zu mir kommen.«
Caine ging zu ihr und legte ihr beide Hände auf die Schultern. Die Spannung in ihr hatte nachgelassen, das spürte er. »Na, dann hast du ja in nächster Zeit genug zu tun.«
»Hoffentlich«, antwortete Diana und sah ihn schmunzelnd an. »Wenn ich zum besten Strafverteidiger der Ostküste werden will, brauche ich noch eine Menge Klienten.«
»Ich liebe ehrgeizige Frauen«, flüsterte Caine zärtlich und küsste sie.
Diana saß
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