Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers

Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers

Titel: Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiersten White
Vom Netzwerk:
viel zu schicken Möbeln und auf wirbelnden Wiesen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal dahin zurücksehnen würde, aber wenn ich mich entscheiden dürfte, wäre ich tausendmal lieber dort als hier.
    Der Himmel über uns war purpurrot, eine grenzenlose Weite, durchbrochen von stecknadelkopfgroßen, glitzernd schwarzen Löchern, wie die Abwesenheit von Sternen. Ich konnte zwar klar sehen, aber die Luft war dick und schwer und in ihr lag ein Hauch von verkohltem Zimt. Wir standen am pechschwarzen Ufer eines riesigen Sees, dessen Oberfläche silbrig schimmerte, aber trotz des Himmels darüber nichts widerspiegelte. Einzelne emporragende Gesteinsbrocken durchbrachen die Monotonie der Ebene rings um uns. Sie lagen da wie gewaltsam durch die Gegend geschleudert, wie verzerrte, gefolterte Kreaturen. Die ganze Szenerie wirkte hypnotisierend – wunderschön, aber falsch.
    »Jack«, flüsterte ich und zog an seiner Hand. »Ich glaube, wir sollten nicht hier sein.«
    »Hast recht«, erwiderte er und ich stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Das Wichtigste hab ich auch ganz vergessen.« Er streckte die Hand aus und wir glitten seitwärts; die Luft wirbelte auf, als die Albtraumlandschaft sich in ein Zimmer verwandelte. Benommen schwankte ich hin und her.
    »’tschuldige.« Jack ließ meine Hand los und ging zu einem Tisch in der Ecke. »Wenn man erst richtig drin ist im Feenreich, ist die Fortbewegung viel leichter. Dauert bloß ein bisschen, bis man sich daran gewöhnt hat. Wenn du kotzen musst, bitte nicht auf den Teppich.«
    Ich klammerte mich an der Kante eines Sofas fest, um mein Gleichgewicht wiederzuerlangen, und sah mich dann um. Dies musste so ungefähr das seltsamste Zimmer sein, in dem ich je gewesen war. Die Wände bestanden aus blassgrünem Felsgestein und wurden durch ein indirektes Licht beleuchtet, dessen Quelle ich nicht ausmachen konnte, und die Möbel sahen ganz ähnlich aus wie die von Reth, lauter schnörkelige Schnitzereien und kuscheliger Samt. Aber überall zwischen dieser Feenpracht verteilt lagen dreckige Socken, hastig ausgezogene Hosen und schmuddelige Sneakers.
    Das schafften wirklich nur Jungs: selbst das Feenreich wie eine Müllkippe aussehen zu lassen.
    Jack hob einen zerfledderten Pappkarton auf und stellte ihn auf den Eichentisch, dann nahm er sich eine leuchtende Frucht aus einer Schale. Sie sah aus wie ein Pfirsich, wenn Pfirsiche denn blau wären und aus kleinen Stückchen Himmel bestünden. Mit geschlossenen Augen biss er hinein, einen schwärmerischen, heißhungrigen Ausdruck auf dem Gesicht. Ich hatte noch nie etwas gegessen, das so gut schmeckte, wie diese Frucht nur aussah. Vorsichtig atmete ich durch den Mund und versuchte, ihren Duft nicht einzuatmen. Als er fertig war, hielt er mir die Schüssel hin. »Auch eine?«
    »Danke, ich verzichte.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Du hast ja keine Ahnung, was du verpasst. Na ja, was soll’s. Auf jeden Fall funktioniere ich mit vollem Magen einfach besser. So, jetzt, wo wir alles haben, können wir ja wieder los.«
    »Moooment mal, ganz langsam. Was war das da eben für ein Ort? Ich will da nicht wieder hin.« Jacks Zimmer war zumindest ein geschlossener, abgeschiedener Raum. Am Ufer dieses eigenartigen Sees dagegen waren wir völlig ungeschützt gewesen. Ich wollte überhaupt nicht hier im Feenreich sein, aber dahin wollte ich wirklich, wirklich nicht zurück.
    »Tut mir leid, keine Zeit. Wir müssen das Schiff erwischen.« Jack klemmte sich den Pappkarton unter den Arm und grapschte sich meine Hand, bevor ich es hätte verhindern können. Nach einem weiteren magenverdrehenden Ortswechsel standen wir wieder am Seeufer.
    Aber diesmal waren wir nicht allein.
    Ein großes Schiff, glänzend schwarz wie Obsidian, glitt lautlos an uns vorbei. Das silberne Wasser lag völlig ruhig da, nicht einmal die kleinste Bugwelle schwappte auf uns zu. Ich machte mich so klein wie möglich, aber das Schiff fuhr einfach weiter und legte erst an der nächsten Uferbiegung an. An der Seite schob sich eine gewölbte Brücke heraus. Ich wagte kaum hinzusehen, aus Angst, wer da an Land kommen würde.
    »Jack?«, flüsterte ich drängend.
    »Ach ja, stimmt. Wir sollten nicht gesehen werden. Ich glaube zwar nicht, dass die uns umbringen würden, aber man weiß ja nie.«
    »Ich bring dich gleich um!«, zischte ich, während wir uns hinter einen der gruseligen Felsbrocken duckten. Jack spähte um die Ecke. Ich kauerte mich zusammen. Ich war zu lange vor den

Weitere Kostenlose Bücher