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Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers

Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers

Titel: Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiersten White
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Feen auf der Flucht gewesen, um jetzt freiwillig in ihr Reich zu kommen und mich ihnen quasi als Opfer anzubieten. »Lass uns abhauen!«
    »Das solltest du dir angucken!«
    »Nein! Nein, sollte ich überhaupt nicht und du auch nicht! Komm, lass uns von hier verschwinden.«
    »Guck doch mal.« Jack zerrte mich so weit rüber, dass ich auch was sehen konnte. Die Prozession war genauso schweigsam wie unheimlich. Feen, wunderschön und Furcht einflößend zugleich, bewegten sich gemessenen Schrittes die Brücke hinunter. Ihr Haar hatte sämtliche Farben, die man sich nur vorstellen konnte – von tiefschwarz bis strahlend weiß –, aber ihre Gesichter besaßen alle dieselbe scharf gemeißelte, grausame Perfektion. Ihre Kleider, in einer eigenartigen Schattierung von tiefem Violett gehalten, umwallten sie in einer nicht existenten Brise. Als auch die letzte von ihnen am Ufer war, wandten sich die Feen dem Schiff zu. Ich hielt vor Spannung den Atem an.
    Wieder erschienen auf der Brücke Gestalten und ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht vor Entsetzen aufzuschreien. Es waren Menschen, die auf allen vieren krochen, die Köpfe kahl rasiert und vollkommen nackt bis auf glitzernd silberne Muster, mit denen ihre Körper bemalt worden waren. Auf ihren Rücken trugen sie ein kunstvoll geschmiedetes Podest, ganz aus fein ziseliertem Silber, und sie krabbelten mit perfekter Gleichmäßigkeit voran, damit es nicht erschüttert wurde. Ohne irgendein erkennbares Signal hielten sie nun inne und warteten. Ich kämpfte gegen die bittere Galle an, die mir die Kehle hochstieg. Schlimmer noch als ihre nackten Körper, so mager und sehnig, war der Ausdruck auf ihren Gesichtern.
    Sie waren glücklich.
    Mehr als glücklich, sie waren verzückt, regelrecht ekstatisch. »Was machen die da?«, flüsterte ich, aber Jack brachte mich mit einem kurzen Blick zum Schweigen.
    Auf die Antwort musste ich nicht lange warten. Eine Frau, mindestens einen Kopf größer als der Rest der Feen, erschien. Und in diesem Augenblick wurde mir klar, dass Schönheit und Schrecken ein und dasselbe waren, untrennbar miteinander verwoben. Ihr Haar waberte um ihren Kopf wie schwarzes Öl, auf dem sich dort, wo es ihr den Rücken hinunterwallte, dunkle Regenbögen entfalteten. Ihre Augen waren reinstes Schwarz gegen die Alabasterblässe ihrer Haut, ihre violetten Lippen voll, grausam, makellos. Alles, was von diesen Lippen kam, würde Schmerz und Wonne zugleich sein, unentrinnbar, unwiderstehlich.
    Dies hier war also die Ewigkeit. Ich würde zu ihr gehen – musste zu ihr gehen. In einer sich stetig verändernden, stetig
    sterbenden Welt war sie das Absolute, sie war die Schwerkraft, sie war alles. Ich wollte mich für immer in ihr verlieren.
    Jack kniff mich in den Arm, zwirbelte die Haut richtig zwischen den Fingern. Ich keuchte auf und sah ihn wütend an. Er verdrehte die Augen. »Typisch Anfänger. Versuch, dich zurückzuhalten und dich der Dunklen Königin nicht gleich an den Hals zu werfen, okay?«
    Ich schüttelte den Kopf und bemühte mich, den letzten Rest dieses Verlangens, dieses Drangs loszuwerden. Das war knapp gewesen. Zu knapp.
    Ich hasste Feen.
    Ich sah wieder hin, entschlossen, mich nicht noch einmal in ihrem Bann zu verlieren. Anstatt mich auf sie zu konzentrieren, betrachtete ich nun ihre menschlichen Sklaven, die sich gerade alle auf die Bäuche fallen ließen. Sie trat auf das Podest und wurde in einer einzigen fließenden Bewegung in die Luft gehoben, als die Menschen weiterkrochen. Dort stand sie nun und starrte mit kaltem Blick an ihrem Gefolge vorbei.
    Die Feen bildeten hinter ihr eine Reihe und sie wurde über die Ebene davongetragen. Je weiter sie sich von mir entfernte, desto leichter fiel mir das Atmen. Erschöpft vor Anstrengung, dem Zauber der Dunklen Königin zu widerstehen, ließ ich mich gegen den Felsen sinken. Wenn sie so genannt wurde, dann war sie wohl die Königin des Hofs der Unseelie. Diejenigen, die Vivian erschaffen hatten. Diejenigen, die mich am liebsten tot sähen. Ganz tolle Ablenkung, Jack. Was war schon eine Absage von der Georgetown verglichen damit, dass ich dem Tod höchstpersönlich begegnet war und mich ihm, oder vielmehr ihr, auch noch hatte zu Füßen werfen wollen? Wenn ich recht darüber nachdachte, hatte Jack mir in letzter Zeit schon so einige Nahtoderlebnisse beschert. Darüber sollten wir uns mal unterhalten.
    Er beugte sich vor und kramte in seiner Schachtel.
    »Wer waren diese armen Menschen?«,

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