Lebe wohl, Erde!
gibt tausendmal mehr Menschen unserer Rasse, als der Planet beherbergen könnte – selbst wenn es den Tod noch gäbe.«
»Aber warum …?« Ich beendete meine Frage nicht, denn der Älteste hatte eine Hand gehoben.
»Ich werde euch alles erläutern«, sagte er. »Und dann wird euer Gedächtnis euch zurückgegeben.«
Checks Atem ging bei diesen Worten schneller. Sein Stab fiel unbeachtet auf den Boden. Einer der Männer hob ihn auf und schlang ihn sich über die Schulter. Der Älteste fuhr fort:
»Wie ich erwähnte, gibt es keinen Tod mehr, außer durch Unfälle. Das wißt ihr, genau wie ihr wißt, daß viele verschwinden, doch wenige sterben. Die, die verschwinden, kommen hierher.
Denn die Unsterblichkeit bringt das Alter mit sich. Der Verstand stumpft durch ständige Benutzung ab. Der Körper dagegen kennt das Alter genausowenig wie Krankheit. Nur der Geist altert. Er braucht Regeneration.
Aus diesem Grund wurden die Erholungsplaneten gegründet – einer in jedem Sonnensystem. Alles Wissen, außer der Sprache, der Bewegung und anderen alltäglichen Dingen, wird demjenigen genommen, von dem man feststellt, daß er Ruhe braucht. Man gibt ihm eine künstliche Erinnerung und schickt ihn aus, sich einem Stamm anzuschließen. Etwa ein Dutzend Jahre lebt er mit einem der Stämme. Während dieser Zeit verjüngt sein Geist sich. Danach wird er zurückgeholt, wie Check und Braid, oder er findet seinen Weg selbst zurück, wie du. Und dann nimmt er erholt seinen alten Platz wieder ein.«
Er hielt an und warf einen scharfen Blick auf die Tür. Sie stand offen, und ein Mann trat gerade ein. Er hielt einen hell glitzernden Edelstein in der Hand. »Ihr wurdet alle untersucht«, fuhr der Sprecher fort, »und man stellte fest, daß ihr völlig verjüngt seid. Man unterzog euch der Lehrschlafbehandlung, um euch vorzubereiten, und nun habt ihr meine kleine Rede gehört. Jetzt dürft ihr euer volles Gedächtnis zurückerhalten, mit allen Erinnerungen eures langen Lebens!«
Der Mann mit dem Edelstein trat näher und schaute einen nach dem anderen von uns an. »Keefe als ersten«, sagte der Älteste. »Du brauchst nur in das Juwel zu blicken.«
Ich schaute – ich hörte den Mann, der es trug, sprechen. Er tat es mit leiernder Stimme, die den Schlaf herbeibeschwor. In Sekunden war die Stimme nur noch wie aus weiter Ferne zu vernehmen, die Lichter im Ratssaal schienen zu erlöschen, und dann wurde alles dunkel. Schließlich erschallte ein dröhnender Donnerschlag, und ich hörte das Wort: »Erwache!«
Meine Lider hoben sich, doch ich schloß sie wieder. Schwindelerregend wirbelten die Gedanken in meinem Kopf. Als sich alles um mich drehte, klammerte ich mich haltsuchend an den Mann mit dem Edelstein und begann, in meinem neuerwachten Gehirn alles Wissen, alle Erinnerungen eines langen Lebens zu ordnen.
Noch stand ich schwankend da, doch plötzlich lösten sich alle Spannungen, ich fühlte große Erleichterung und öffnete die Augen.
Alles war mir wieder vertraut. Ich wußte, was ich zu tun hatte, und kannte meinen Platz im Leben. Und so schritt ich mit freudiger Würde und mit der Selbstverständlichkeit alter Gewohnheit zum erhabenen Stuhl des Ratsältesten und ließ mich darauf nieder.
Über zweierlei möchte ich sprechen, denn beides gehört meiner Meinung ganz einfach mit zu meiner Geschichte.
Das erste sind die futuristischen Spiele.
Wir waren eine miteinander wetteifernde Meute, alles arrogante Individualisten. Wenn wir uns mit Spielen beschäftigten, ging es ums Ganze. Wir fingen mit den üblichen Spielen an, die alle kannten: Kartenspiele, Brettspiele, Gesellschaftsspiele wie Zwanzig Fragen. Dann verbesserten wir sie. Aus Zwanzig Fragen machten wir Unmögliche Fragen – Fragen, zu denen niemand die Antwort kannte. Es mußte fair zugehen und sich um solche handeln, mit denen ein hochintelligenter Gelehrter sich im Lauf seines Lebens gewiß einmal beschäftigt. Ideal war es, wenn sie auch noch, aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit oder Bedeutung, von informativem Interesse waren. Ein Beispiel aus der Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg, als ich sie zum letztenmal spielte: »Was sagte Wernher von Braun, als die amerikanischen Raketenfachleute ihn nach dem aerodynamischen Grund für die kleinen Schwanzflossen der V 2 fragten?« Antwort: »Wernher von Braun lachte und lachte und sagte: ›Von wegen aerodynamischem Grund. Wir mußten sie so klein machen, weil wir die V 2 mit Güterzügen transportierten, und die
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