Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebe wohl, Erde!

Lebe wohl, Erde!

Titel: Lebe wohl, Erde! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
Vom Netzwerk:
gab es eine gewisse Liebedienerei, was die Werke Marx’, Engels’, Lenins und Stalins betraf. Broschierte Ausgaben davon wurden im Club verkauft. Ich versuchte tatsächlich, ein paar davon zu lesen, aber ich gab es beim KAPITAL und der kleinen Lenin-Reihe auf. Nichts darin schien mir irgendeine Beziehung zu den Aktualitäten in der kommunistischen Bewegung Amerikas zu haben.
    Die Y.C.L.er, so, wie ich sie im Lauf der nächsten drei Jahre kennenlernte, waren smarte, sympathische und unvorstellbar moralische Burschen. Letzteres enttäuschte mich sehr. Ich hatte mir freie Liebe erhofft. Parties gab es genügend, sie dienten alle dazu, Geld zu machen, denn davon war nie genug da. Man spielte Schallplatten, oder jemand hatte seine Gitarre mitgebracht. Manchmal tanzte man auch. Aber ich sah nie, daß es Wein gegeben hätte, und von Sex war auch nicht viel zu bemerken.
    Der Großteil der Futurianer blieb der Y.C.L. fern, nicht so sehr, weil sie gegen ihre Politik waren, als einfach, weil es sie nicht interessierte, glaube ich. Mir gefiel es in diesem Verein. Zuerst wollte ich unbedingt Parteimitglied werden, aber sie nahmen mich nicht auf, weil ich noch zu jung war. Und als ich dann alt genug war, wollte ich nicht mehr. Nach dem Stalin-Hitler-Pakt 1939 konnte ich einfach den Gesinnungswechsel jener Leute nicht ertragen, die ich wirklich gemocht und denen ich vertraut hatte, denn die, die so leidenschaftlich gegen Hitler gewettert hatten, fielen nun genauso leidenschaftlich über Roosevelt her. Acht Monate danach entschied ich mich, daß ich nie wieder einer amerikanischen Kommunistenbewegung angehören würde.
    Wie dem auch sei, etwas verwundert mich; sosehr ich auch danach suche, ich finde in keiner meiner Stories, die ich zu jener Zeit schrieb, auch nur eine Spur meiner jungenhaft prokommunistischen Einstellung. Ein bißchen Abscheu vor Regierungs- und Machtstrukturen im allgemeinen ist allerdings erkennbar, aber daran hat sich auch jetzt noch nichts geändert. Die SF, die ich schrieb, beschäftigte sich viel mehr mit der Buntheit und der Faszination, die dieses Genre brachte, mit dem, was Sam Moskowitz »sense of wonder« nennt. Ich war noch nicht darauf gekommen, SF-Satire über Machtkonzentration zu schreiben, nicht, daß diese Form noch nicht existierte. Heinlein und de Camp brachten jeden Monat etwas Derartiges in ASTOUNDING. Ich brauchte noch etwa zehn Jahre, bis ich einige solche Stories schrieb.
    Das Chaos des zweiten Weltkriegs warf nicht nur die Kommunistische Partei in einen katatonischen Schock, sondern traf alle, sogar schon vor Pearl Harbor. Die jungen Männer betraf es sehr direkt, denn jeder von uns mochte nun jederzeit einberufen werden.
    Ich persönlich schien verhältnismäßig immun dagegen zu sein. Da ich verheiratet war, kam ich schon einmal nicht an erster Stelle. Außerdem wohnte ich in einem neuen Viertel, in dem die Häuser wie Pilze hochschossen, es hieß KNICKERBOCKER VILLAGE und befand sich direkt an der New Yorker Seite der Manhattan Bridge. So bedeutend an Knickerbocker Village war die Tatsache, daß es zur Rekrutierungsstelle 1 gehörte, genau wie Chinatown. Als der Krieg kam und sich überall in Amerika junge Männer freiwillig mustern ließen, um gegen die Japaner zu kämpfen, meldeten sich in Chinatown ALLE. Ich weiß nicht, ob die Rekrutierungsstelle 1 überhaupt je jemanden einberufen mußte.
    Doë und ich hatten Apartment BH8, mit einem herrlich großen Wohnzimmer, einem kleinen Schlafzimmer, einer winzigen Küche und einem Bad, das man fast mit der Lupe suchen mußte. Wir mochten es sehr, und am meisten gefiel uns, daß Knickerbocker Village tatsächlich so etwas wie ein eigenes Viertel, ja eine kleine Stadt für sich war. Restaurants, Bars, Supermärkte, Drugstores, Zeitungskioske, das alles gab es in diesem riesigen Wohnkomplex. Wir konnten sie durch unterirdische Passagen, wahre Labyrinthe, alle erreichen, ohne auch nur einen Fuß auf die Straße setzen zu müssen. Und auch unsere Freunde wohnten dort. Dick Wilson und seine neugebackene Ehefrau Jessica hatten Apartment EE2, uns gegenüber auf der anderen Seite des Innenhofs. Wir brauchten kein Geld mit Telefonieren zu verschwenden, Zeichensprache aus dem Fenster genügte. Im Penthaus unseres eigenen Gebäudes wohnte Willard Crosby mit Frau, Kind und Siamkatze; zwei Gebäude weiter Loren Dowst. Bill und Dusty waren Redakteure von Popular Publications, verehrungswürdige, intelligente Männer mit Humor. Andere alte Freunde

Weitere Kostenlose Bücher