Leben aus der Asche
machen«, sagte Mick Jagger. »Bleiben Sie doch in Ihrem Wagen!«
»Es war falsch, ihn gehen zu lassen«, sagte Martin. »Wir hätten ihn nicht gehen lassen sollen!«
Jagger verstellte ihm den Weg.
»Mr. Martin, niemand hätte ihn halten können, auch ich nicht. Kommen Sie!«
Er führte ihn zum ersten Lastwagen.
Als sie im Führerhaus saßen, sagte Jagger:
»Sie müssen sich daran gewöhnen, daß er tut, was er für richtig hält. Er geht nicht so leicht in eine Falle!«
»Aber wir können doch nicht einfach ohne ihn weiterziehen!«
Jagger lächelte grimmig.
»Das werden wir auch nicht«, sagte er mit Nachdruck.
Martin sah ihn hilflos an.
»Was haben Sie vor?«
»Wenn er bis zum Morgengrauen nicht zurück ist, fahren Sie weiter, wie verabredet. Ich gehe ihn suchen.«
»Unmöglich! Das lasse ich nicht zu!«
»Ich glaube kaum, daß Sie das verhindern können«, antwortete Mick Jagger kühl.
»Kinder, regt euch doch nicht auf, bis jetzt ist es ja noch nicht soweit!« warf Carl Wayne ein.
Jagger blickte prüfend zum Himmel.
In einer Stunde etwa begann die Dämmerung.
*
Zimmermann sog zischend die Luft ein. Er verfluchte seinen Leichtsinn. Kemp schluckte trocken.
»Das ist doch unlogisch«, flüsterte er, »wieso haben sie uns denn nicht sofort angegriffen?«
Zimmermann antwortete nicht. Er bedeutete Kemp, stehenzubleiben und sprang auf die andere Seite neben die Tür. Kemp, der ahnte, was er vorhatte, hob den Revolver. Zimmermann bewegte den Türgriff. Er drückte ihn ganz herunter. Die Tür ging auf.
Kemp preßte die Lippen zusammen. Er richtete die Taschenlampe auf die Türöffnung. Auf dem Flur war nichts zu sehen.
Zimmermann ging ein paar Schritte zurück und nahm einen Löscher vom Schreibtisch. Er warf ihn flach über dem Boden auf den Flur. Es gab ein schnurrendes Geräusch, als der Löscher zum Stillstand kam.
Kemp trat neben ihn und sah ihn ratlos an. Zimmermann brachte seinen Mund nah an Kemps Ohr und flüsterte:
»Bleib stehen!«
Dann sprang er mit einem Satz auf den Flur. Er hatte die Taschenlampe zwischen den Zähnen und die MP im Anschlag. Blitzschnell drehte er sich um die eigene Achse. Es war nichts zu sehen oder zu hören. Er winkte Kemp, ihm zu folgen, und sie stiegen schnell die Treppe hinab.
Als sie die letzte Stufe erreicht hatten, wurde es plötzlich blendend hell. Sie konnten sich nicht wehren, das Licht machte sie blind. Vor ihnen, hinter ihnen, sogar über ihnen, am Treppengeländer, standen Männer und Frauen.
Sie waren unbewaffnet. Sie hatten nur das Licht.
Kemp stieß einen überraschten Ausruf aus.
»Wir wollen euch nichts tun!« schrie er.
Aber sie kamen immer weiter auf sie zu.
Zimmermann packte Kemp und stieß ihn zurück, so daß er ihn mit seinem Körper schützte.
Die Menschen kamen immer näher. Ihre Gesichter waren verzerrt. Sie hatten die Hände wie Klauen vorgestreckt.
Und in ihren Augen stand der Wahnsinn.
7.
Mick Jagger lief. Sein Gesicht war schweißüberströmt, obwohl es empfindlich kühl war. Mit jedem Meter, den er zurücklegte, schien die MP schwerer zu werden. Er hatte das Tragband über die Schulter gestreift und hielt sie mit der linken Hand fest, damit ihm die Waffe nicht gegen den Körper schlug, als er mit langen Sätzen die Hauptstraße entlang lief. Er blieb öfter stehen, um sich die langen Haare aus der Stirn zu streichen. Sein Atem ging schwer. Aber er hatte ganz bewußt darauf verzichtet, den Wagen zu nehmen, weil er nicht gehört werden wollte.
Er ging langsamer und holte tief Luft. Vergeblich blickte er in Seitenstraßen: Der Jeep war nicht zu sehen. Er fuhr sich mit der freien Hand über das gerötete, verschwitzte Gesicht. Unentschlossen blickte er bei einer Straßenkreuzung umher. Schließlich ging er weiter die Hauptstraße entlang. Er hob den Kopf und sah zum Himmel. Aber auch die dicken, grauen Wolken, die Regen ankündigten, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß es bald dämmern würde.
Jagger war nicht ängstlich. Er war noch jung, aber er hatte schon mehr gesehen als mancher ausgewachsene Mann. Und er war damit fertig geworden. Trotzdem spürte er leises Unbehagen, als er durch die stummen, leeren Straßen ging, und mehr als einmal glaubte er irgendwelche Bewegungen zu sehen, aber es waren stets Täuschungen. Es gab kein lebendiges Wesen außer ihm selbst auf dieser breiten Hauptstraße, die früher Zentrum des Verkehrs gewesen war.
Er ging weiter, bis er einen weitausladenden Platz
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