Leben aus der Asche
Hände. Sogar seine Fingernägel sind rechteckig geschnitten, dachte er. Er sah auf seine eigenen Hände. Sie waren lang und feingliedrig; die Fingernägel waren zu lang und an einigen Stellen eingerissen und abgebrochen.
»Mist!« sagte Jim Saville.
Conway blickte auf.
»Willst du's noch mal hören?« Saville sah ihn aggressiv an.
Conway schwieg und mischte weiter die Karten. Er tat es mit Bedacht, so, als wäre es eine wichtige Arbeit, die höchste Konzentration erforderte.
»Ich habe keine Lust mehr«, sagte Saville.
»Wozu?«
Saville sprang auf.
»Ich habe keine Lust mehr, hier herumzusitzen, ich habe keine Lust mehr, mit dir stundenlang Karten zu spielen, ich habe überhaupt keine Lust mehr!«
Conway runzelte die Stirn.
Endlich zeigte er eine menschliche Regung, dachte Saville erleichtert.
»Du bist nervös«, begann Conway, »aber ...«
»Himmel, ja! Ich bin nervös! Das ist aber auch zum Auswachsen!«
»Du weißt, wie wichtig es ist, daß wir jetzt aushalten! Sowas geht eben nicht von heute auf morgen!«
»Morgen!« sagte Saville geringschätzig. »Morgen! Immer nur morgen! Die ganze Zeit höre ich nichts anderes.«
»Ja«, sagte Conway scharf. »Wir sind noch nicht soweit und das weißt du ganz genau!«
Saville stieß die angestaute Luft aus und setzte sich wieder. Er drückte auf einen Knopf des Schaltpultes und starrte auf den Bildschirm, der langsam heller wurde.
»Da sind sie«, flüsterte er. »Da sind diese kleinen, niedlichen Dingerchen. Sieh sie dir an, Don!«
Conway sah flüchtig auf den Bildschirm.
»Stell ab, du weißt, daß er das nicht gern hat!«
»Es ist mir egal, ob er es gern hat oder nicht!« schrie Saville. »Ich habe ein Recht darauf, mir die Dinger anzusehen, so oft ich will, wenn ich schon stundenlang hier herumsitze!«
Conway langte über das Schaltpult und drückte einen Knopf. Das Bild erlosch.
»Ich will keinen Ärger«, sagte er.
Saville machte eine heftige Bewegung.
»Quatsch! Wer soll denn da 'rankommen? Hier sind doch nur unsere Leute!«
»Das ist egal! Wir sind Soldaten, und wir müssen Disziplin bewahren, sonst können wir gleich einpacken!«
»Das wäre auch das beste«, murmelte Jim Saville.
Conway schlug auf den Tisch, daß es dröhnte.
»Noch eine solche Bemerkung, und ich muß dich melden, merk dir das gefälligst!«
Saville stützte den Kopf in beide Hände und schwieg. Der kriegt es glatt fertig und meldet mich wirklich, dachte er erbittert. Ich wette, der kriegt noch viel mehr fertig.
Im nächsten Augenblick riß ihn ein schrilles Klingeln aus seinen Gedanken. Auf dem Schaltpult leuchtete in regelmäßigen Abständen eine rote Lampe auf.
Conway fuhr hoch und griff nach seinem Gewehr.
»Na, was habe ich dir gesagt?« fragte er.
Und seine Stimme klang fast fröhlich.
*
Sie waren nur drei Mann, aber sie waren zu allem entschlossen. Sie saßen in der Kantine des Bunkers, in dem über dreihundert Mann Platz hatten. Sie hatten sich vorsorglich von den anderen abgesondert, damit ihr Gespräch nicht belauscht werden konnte. Die Luft war erfüllt von Geschirrklappern und Gesprächsfetzen.
»Ich habe so ein komisches Gefühl«, sagte einer von ihnen und hob die Kaffeetasse an den Mund.
»Ach was! Gerald, wenn wir noch lange warten, verpassen wir den Zeitpunkt!«
Gerald sah den dritten Mann an.
»Nun? Was sagst du dazu, Dave?«
»Ich glaube, Simon hat recht! Wir müssen handeln! Je länger wir noch warten, desto verdächtiger werden wir.«
Gerald seufzte.
»Und es gibt keine Möglichkeit, wie wir feststellen können, ob die Alarmanlage noch funktioniert?«
Dave Davies schüttelte den Kopf.
»Nichts zu machen. Das ist unser Risiko!«
»Nicht gerade sehr beruhigend!«
Simon drückte mit dem Daumen den Tabak in seiner Pfeife fest und zündete sie an. Er paffte ein paar Züge und sagte langsam:
»Oder wir tun uns mit Saville zusammen!«
Die beiden Männer sahen ihn wie auf Kommando an.
»Bist du wahnsinnig geworden? Der gehört doch zur Elite!«
»Ich verstehe dich auch nicht«, sagte Dave Davies, »diesen Plan haben wir doch längst verworfen!«
Simon Dee zeigte mit dem Pfeifenstiel zur Tür.
»Weiß ich, weiß ich, Saville gehört zur Elitetruppe. Aber was heißt das schon? Habt ihr ihn in der letzten Zeit schon näher beobachtet?«
Die beiden sahen ihn gespannt an.
»Du meinst, er versteht sich nicht mehr mit Conway?«
»Genau! Ihr kennt den Grundsatz des Chefs hier: Zur Wache sucht er sich immer Leute aus, die
Weitere Kostenlose Bücher