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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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zua«, zischt Dali Nora an, »s’ziagt.«
    »Kuck mal, wie die Rehwixer glotzen«, flüstert sie. »Dagegen bin ich diskret.«
    »Was wollt ihr trinken?« Maika lächelt spöttisch in die fassungslosen Gesichter der Bandmitglieder.
    »Wasser.« – »Äh. Ich auch.« Stotter. »Bier.« Stammel. »Ich auch.« Räusper.
    »Ich helfe Maika beim Zapfen«, flüstert Nora Dali zu und folgt Maika. Für sie ist das eine unglaublich spannende Lektion in Sachen Kräftemessen von Östrogen und Testosteron.
    Die Band macht sich an die Arbeit und schließt mit Mehmets Hilfe ihre Instrumente, Mikros und Notebooks an.
    »Vor dem Konzert stell ich euch ein paar Wasserflaschen hinter die Lautsprecher.« Mit ihrem üblichen Zeitlupengeplänkel serviert Maika die Drinks auf der Bühne. »Wenn ihr sonst noch was wollt, kommt an die Bar.«
    Maika schafft es, dass das nach Verheißung klingt. Gerade so, als würde es bei ihr an der Bar alles geben: Reichtum, Schönheit, multiple Orgasmen, Weltfrieden …
    Rehwix entspricht musikalisch nicht Maikas Geschmack, aber dafür sind die Jungs attraktiv. Ihre Lieder sind zwar in deutscher Sprache verfasst, aber in der Regel schwierige Texte, deren Bedeutung sich Maika nicht erschließt. Egal, denkt sie und schaut sich die Jungs an.
    Bis ein zweiter Blick in die spöttischen Augen des Sängers ihr
den eigenen Spott widerspiegeln und ihre Coolness nackter Panik weicht.
    Hilfe!!! Der ist ja wie ich, nur ganz anders! Scheiße, was mach ich jetzt?
    Kalt erwischt. Schluck.
    Linecheck, Frank Stein lässt Maika nicht aus den Augen: »Eins, zwo, one, two, Test.«
    Die Signalkanäle sind richtig angeschlossen. Die Band legt los, und für Mehmet ist beim Soundcheck am Mischpult die Welt wieder in Ordnung.
    Nora tanzt dazu und macht sich Gedanken über Maika. Irgendwas ist mit ihr, sie verhält sich sehr merkwürdig. Plötzlich tippt Nora jemand auf den Rücken.
    »Noralein, meine Süße …«
    Hä? Noralein? Süße? »Was ist los, Maika?«
    »Du musst mir helfen«, wimmert sie.
    »Ist dir übel?«
    »Nein. Doch! Kannst du mich kurz vertreten?«, bettelt Maika.
    »Ja, aber was ist denn passiert?«
    Der Ausdruck in Maikas Augen könnte flehentlicher nicht sein. »Ich muss los, bitte vertrete mich am Tresen. Nur kurz! Bitte!«
    »Okay, okay, zisch ab, aber beeil dich.«
     
    Maika muss heim, duschen, sich umziehen, schminken, ihr Bett frisch überziehen, die Wohnung renovieren, ein neuer Mensch werden.…
    Das UNBEKANNTE kommt direkt auf sie zu. Es ist unheimlich und macht ANGST! Kann das Liebe sein? Fühlt sich Liebe so an, als ob die Erde beben würde und sie zu verschlingen droht?
    Aggressives Autohupen, Schreie, Streit, hysterisches Lachen,
von all den Dramen, die sich um Maika herum abspielen, kriegt sie nichts mit. Sie hastet nach Hause, und nur das konstante Klatschen der Flip-Flops gegen ihre Fersen schafft es, bis in ihr Bewusstsein vorzudringen. Mao würde sie auch sofort sehen, wenn er nur da wäre. Aber die 981 Touristen, an denen sie vorbeirennt, sieht sie nicht, und sie fasst auch keinen einzigen klaren Gedanken. Wie im Rausch fliegt sie über den Asphalt. Klatsch, klatsch, klatsch, klatscht der Kunststoff gegen ihre Fußsohlen. Was soll sie tun? Maika reißt die Tür auf und rennt die Treppe hoch.
    Herr Hansen, der Hausmeister, stellt sich ihr in den Weg. »Wie geht es deiner Mutter?«
    Im Vorbeirennen sagt sie: »Gut.« Das ist eine Lüge.
    »Moment!«, ruft er ihr nach.
    »Ich hab keine Zeit!« Für dich sowieso nicht. Blockwart.
    Maika schließt die Wohnungstür hinter sich ab und rennt von einem Zimmer ins andre. Beim ersten Durchlauf sammelt sie alle herumliegenden Klamotten auf, beim zweiten reißt sie die Fenster auf, beim dritten verteilt sie Zeitschriften und Bücher, wie man ein Blatt Karten auf den Tisch wirft, damit es nicht so unbewohnt aussieht. Dann überzieht sie ihr Bett mit der schönsten Bettwäsche. Die mit dem Rosenmuster, ihr Dornröschen-Bettzeug. Dann geht sie ins Bad und würgt vor Aufregung. Duschen, wieder Klamotten wegpacken. Maika zieht eine leichte schwarze lange Leinenhose an und ein schwarzes T-Shirt, schminkt sich die Augen und findet, dass sie aussieht wie eine Leiche.
    Sie trinkt einen Liter frisches Wasser und schreit laut: »Was soll ich denn machen?« Sie hat keine Ahnung. Irgendwas ist passiert. Sie hat keine Ahnung, was.

     
    Rehwix jammt. Der Sänger, Frank Stein, wirft suchende Blicke durch den Saal des SOUL CLUBS und stellt sich die gleiche Frage

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