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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Saschas Leben nur Chaos war.
    „Keine Ahnung“, stammelte er. „Nichts Besonderes. Und hier?“
    „Hier ist nie etwas los. Weißt du doch“, gab Andreas mit der Maske eines Toten zurück. „Aber ich habe vorhin neuen Inhalt für Martial Arts Camp IV heruntergeladen. Sieht gut aus. Neue Moves, neue Charaktere. Lust?“
    Nein, Sascha hatte keine Lust. Er hatte Lust auf Andreas. Zumindest wollte er wissen, woher die gläserne Mauer zwischen ihnen kam. Nach Spielen war ihm nicht zumute. Und eigentlich sah auch Andreas nicht aus, als ob ihn die Konsole sonderlich lockte.
    Sascha schluckte und fragte vorsichtig: „Sicher? Du wirkst nicht, als ob du Bock auf Gesellschaft hättest. Soll ich lieber gehen?“
    „Nein!“ Es klang hektisch. Zum ersten Mal erschien an diesem Tag erschien ein Riss in Andreas' kühler Fassade. Er stand auf und kam Sascha entgegen. Seine Arme waren so fest an seine Seiten gepresst, dass sie sich kaum bewegten. Seine Daumen verschwanden in den Schlaufen seiner Jeans. „Lass uns einfach eine Runde zocken, ja?“
    Sascha zögerte. Er verstand diese widersprüchlichen Signale nicht. Aber vielleicht musste er das auch gar nicht. Wer konnte schon sagen, was mit Andreas los war? Es konnte an den Vorfällen vom Vortag liegen oder auch an etwas, was in der Zwischenzeit passiert war.
    Andreas war niemand, der seine Sorgen teilte oder sich bei einem Freund aussprach. Er machte die Dinge eher mit sich selbst aus.
    „Wenn du willst“, nickte Sascha wenig begeistert.
    „Alles klar“, grinste Andreas aufgesetzt und verpasste ihm einen Schlag auf den Oberarm. Die kleine Geste sprach Bände. Sie sagte: „Wir sind harte Kerle und Kumpels.“
    Sascha seufzte still in sich hinein. Was wurde das hier? Die „Wir beweisen uns, dass wir trotz aller Fummelei keine Tunten sind“-Phase?
    Guten Willen beweisend setzte Sascha sich vor das Bett und streckte die Hand nach den Controllern aus. Andreas nahm in sicherem Abstand neben ihm Platz und startete mit einem wahrhaften Redefluss das Spiel.
    Nicht einmal die Hälfte der Informationen über die neuen Kampftechniken, Kombinationsschläge und Eigenschaften der einzelnen Kämpfer kam bei Sascha an. Nichts interessierte ihn in diesem Augenblick weniger. Aber wenn Andreas die Konsole zwischen ihnen brauchte, um sich wieder normal zu benehmen, dann sollte es ihm um Gottes willen recht sein. Außerdem konnte es kaum schaden, wenn er seine Frustration auf einen Gegner aus bunten Pixeln übertrug.
    Schweren Herzens stellte Sascha alle Wünsche für diesen Nachmittag zurück in den inneren Vorratsschrank. Für einen Teenager, der den halben Morgen davon phantasiert hatte, seinen Spielgefährten wiederzusehen, war das nicht leicht.
    Er musste sich konzentrieren, um die nachdenklichen Fragen aus seinem Kopf zu vertreiben. Hatte er etwas falsch gemacht? Hatte er etwas missverstanden? War er zu aufdringlich gewesen? Bereute Andreas ihr Beisammensein? Hatte er das Interesse an ihm verloren? Gefiel Sascha ihm etwa nicht? Nein, damit wollte er sich nicht auseinandersetzen. Da war es viel leichter, seine Spielfigur wie einen Wirbelwind durch die Arena springen, schlagen und treten zu lassen.
    Andreas war ein kaum zu besiegender Gegner. Die vielen Stunden der Einsamkeit, die er zu überbrücken hatte, hatten ihn in einen hervorragenden Spieler verwandelt, der in dem Controller eher seinen verlängerten Arm als eine Fernbedienung sah. Er war schnell und er forderte Sascha jedes bisschen Konzentration ab, wenn er an ihm dran bleiben wollte.
    Diese Konzentration war es letztendlich, die es Sascha etwas leichter machte. So leicht, dass er anfangs nicht bemerkte, dass Andreas' Blick nicht immer auf dem Fernseher klebte. So leicht, dass er beinahe nicht merkte, dass der Freund millimeterweise näher kam und trotz aller Brillanz unter seiner üblichen Tagesform spielte.
    Sie sprachen kaum, aber nach einiger Zeit war Sascha das Schweigen nicht mehr unangenehm. Ihre gesamte Kommunikation bestand aus „Ha!“, „Zu langsam“, „Hast du das gesehen?“ und „Grrr, ich kriege dich.“
    Sie waren bereits seit über einer Stunde mit dem Spiel beschäftigt, als Sascha endlich die verstohlenen Blicke spürte, die ihm von der Seite zugeworfen wurden. Wiederholt funkelte es dunkel hinter den schützend über das Gesicht geworfenen Haaren auf. Zwar wirkte Andreas' Miene nach wie vor kühl und gelassen, aber seine Augen glänzten warm. Warm und hungrig.
    Das Kribbeln begann von Neuem. Sascha

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