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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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denn eigentlich hatte er sich immer vorgestellt, seine erste Liebe locker anzugehen.
    Nichts war schlimmer als Leute, die sich mit sechzehn Jahren angeblich bis über beide Ohren verliebten und drei Wochen später am Boden zerstört waren, weil die Beziehung in die Hose gegangen war. Ein Drama, das sich bei einigen Kandidaten an seiner alten Schule alle Vierteljahr in schönster Regelmäßigkeit wiederholt hatte.
    Sie würden es versuchen. Und wenn es nicht klappte, konnten sie hoffentlich Freunde bleiben. Denn egal, was kommen mochte, Sascha wollte Andreas nicht verlieren.
    Er unterdrückte den Drang, sich zu schütteln, konzentrierte sich stattdessen auf die Atmung seines Freundes, die unruhig wirkte. Anscheinend schlief er nicht tief. Angesichts des Zustands, in dem Sascha ihn vorgefunden hatte, war es eh erstaunlich, dass er sich so schnell beruhigt hatte.
    Hässliche Gedanken schlichen sich in seinen Kopf. Er erinnerte sich an das, was seine Tante ihm erzählt hatte. Die Geschichte eines Kindes, das immer allein gewesen war, das stets ohne Freunde im Garten gespielt hatte und dessen Eltern häufig unterwegs waren. Er konnte es sich bildlich vorstellen. Die Villa war kalt wie ein Musterhaus. Unbewohnt. Lieblos. Stets sauber und ordentlich, aufwendig eingerichtet. Aber jeder Iglu war wärmer und freundlicher als dieses Haus.
    Reiß dich zusammen, Mann, ermahnte Sascha sich.
    Kein Grund, rührselig zu werden. Beschützerinstinkt war schön und gut, aber deswegen musste er die Welt nicht schwarz tünchen. Andreas hatte Probleme, war zu viel allein und mit Sicherheit nicht besonders glücklich mit seinem Dasein, aber sicher war es nicht gut, ein Drama daraus zu machen.
    Schwierig war nur, dass Sascha furchtbar gerne helfen wollte. Nicht heute, nicht morgen. Irgendwann, wenn sie sich sehr nahe waren. Hatte je jemand versucht, Andreas den Arm um die Schulter zu legen und mit ihm nach draußen zu gehen? In den Garten oder hinunter zum Strand? Hatte je jemand zu ihm gesagt: „Hey, wie sieht es aus? Gehen wir in die Stadt bummeln?“ Sascha zweifelte daran. Kein Wunder, dass auf diese Weise ein Zahnarzttermin zu einem Albtraum wurde.
    Aber sie hatten Zeit. Er rekelte sich wohlig und spürte, wie Andreas' Kopf auf seiner Brust in eine bequemere Lage rutschte. Erst einmal konnten sie das, was sich zwischen ihnen anbahnte, genießen. In vollen Zügen.
    Sascha hatte gerade nur wenig Interesse daran, dieses Zimmer und besonders das Bett zu verlassen. Es gab so vieles, das sie ausprobieren konnten, so viele Wege, sich zu berühren, so viel zu erobern und zu entdecken. Wer brauchte da schon die Außenwelt?
    Sascha wollte gerade die Augen schließen, als ihn eine sachte Bewegung an der Tür daran erinnerte, dass er etwas vergessen hatte.
    Komischerweise kam ihm dabei in den Sinn, dass er genau genommen zwei Sachen vergessen hatte. Verdammt. Er hatte die Tür nicht abgeschlossen, wie Andreas es sonst tat, und er hatte ausgeblendet, dass Sina und Fabian allein zu Hause waren. Er hatte nicht damit gerechnet, hier zu bleiben, wurde ihm bewusst. Er war davon ausgegangen, dass die Fetzen flogen und er zehn Minuten später wieder drüben war.
    Als Ivanas rundliches Gesicht im Türrahmen auftauchte, geriet er um ein Haar in Panik. Die Situation war zu eindeutig, um sie misszuverstehen. Dass zwei Freunde zusammen auf dem Bett lagen, war noch unverfänglich. Vielleicht wäre es für einen Außenstehenden auch angesichts der Situation verständlich, dass er Andreas seine Schulter zum Ausweinen bot. Dafür, dass sie umschlungen lagen und sich an den Händen hielten, gab es jedoch nur eine Erklärung.
    Hölle. Durch seine Unachtsamkeit hatte er Andreas geoutet.
    Nur mit Mühe gelang es ihm, ruhig liegen zu bleiben. Nervös erwiderte er Ivanas Blick, die sie schweigend musterte. Sascha war überrascht, als sie ohne weiteren Kommentar fragend in Richtung des Nachttisches nickte. Kein Wort löste sich von ihren Lippen und ihrer Miene war höchstens milde Sorge anzusehen.
    Stumm formte sie ein Wort, das er erst beim zweiten Mal richtig von ihrem Mund ablas: „Suppe?“
    Er schüttelte den Kopf. Nein, Andreas hatte nichts gegessen. Andere Dinge waren wichtiger gewesen.
    Wie ein guter Geist zog Ivana sich wieder zurück, schloss die Tür hinter sich, die lautlos ins Schloss fiel. Erst, als Sascha ihre Schritte auf der Treppe hörte, wagte er aufzuatmen. Doch seine Lunge wollte sich nicht gänzlich füllen. Es fühlte sich an, als wäre der Weg in

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