Leben im Käfig (German Edition)
die tieferen Regionen seiner Brust abgeschnürt.
Er betrachtete den Wust von Andreas' Haaren, wollte ihn nicht allein lassen und wusste doch, dass er sich rühren musste. Er musste mit Ivana sprechen und ganz schnell nebenan anrufen, um herauszufinden, ob Tanja inzwischen zurückgekommen war. Dabei hatte er Andreas versprochen, bei ihm zu bleiben. Was war jetzt wichtiger?
Eins nach dem anderen. Behutsam schob er seinen Freund beiseite, versuchte seinen Kopf umzubetten, ohne dass er aufwachte.
„Ngnnn“, beklagte Andreas sich, blinzelte und griff hektisch nach Saschas Handgelenk. „Wo gehst du hin?“
„Ganz ruhig. Nur eben auf Toilette und etwas zu trinken holen.“
U nd Ivana einnorden und zuhause anrufen, fügte er stumm hinzu.
Andreas nickte langsam, schluckte und verzog angewidert das Gesicht: „Komm bald wieder.“ Das Leid in seinen dunkelbraunen Augen tat Sascha in der Seele weh.
In einem Anfall von Zärtlichkeit küsste er Andreas auf die Stirn und ging nach draußen. Im Flur blieb er stehen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Gut, eins nach dem anderen, wie gesagt.
Zuerst verschwand er im Bad, spritzte sich Wasser ins Gesicht und betrachtete sein Spiegelbild. Trotz des Zwischenfalls mit Ivana lag ein Lächeln um seine Mundwinkel. Was jetzt? Er musste Tanja anrufen.
Sascha fischte sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Kurzwahlnummer. An den kühlen Fliesen lehnend wartete er darauf, dass jemand abnahm. Es dauerte viel zu lange für seinen Geschmack.
Sascha fragte sich schon, wie er Andreas erklären sollte, dass er sofort nach Hause musste, als sich endlich jemand meldete: „Holmes?“
Es war seine Tante. Das war auf der einen Seite gut und auf der anderen weniger.
Sascha räusperte sich: „Hey, ich bin's.“
„Ach“, machte Tanja vielsagend. An diesem winzigen Wort allein konnte er hören, dass sie nicht begeistert war.
„Hör mal, du bist sauer“, redete er drauflos. „Ich weiß, ich habe gesagt, ich bleibe im Haus, bis du wieder da bist. Aber es gab einen Notfall. Andreas geht es nicht gut und ich habe nicht richtig nachgedacht, bevor ich nach drüben bin. Es tut mir leid.“
Für ein paar Sekunden schwieg seine Tante, bevor sie fragte: „Notfall? Ein richtiger Notfall oder eher so ein „Wie-beruhige-ich-meine-wütenden-Eltern-Ausrede“-Notfall?“
„Etwas dazwischen“, erwiderte Sascha ehrlich. „Es ging nicht um Leben und Tod, aber Andreas geht es wirklich, wirklich schlecht. Die Haushälterin hat mich geholt. Es war nicht geplant, dass ich bleibe.“
Er hörte Tanja seufzen, wusste, dass sie nicht besänftigt war.
Schließlich sagte sie hart: „Du hast Glück, dass Sina und Fabi sich benommen haben. Mensch, Sascha, es hätte sonst was passieren können. Du hättest wenigstens warten können, bis ich wieder da bin!“
„Ich weiß.“
„Du bist kein Babysitter und nicht für meine Kids verantwortlich, aber wenn du mir sagst, dass du bleibst, dann muss ich mich darauf verlassen können. Haben wir uns verstanden?“
Es war derselbe Tonfall, den sie anschlug, wenn Fabian Unsinn gemacht hatte. Sascha wusste, dass er sich diese Gardinenpredigt verdient hatte. Er hatte nicht nachgedacht. Aber sie musste doch verstehen, dass er ... verflucht.
„Kann ich noch bleiben?“, fragte er kleinlaut.
In diesem Augenblick dachte er nicht daran, dass er erwachsen war und ihm rein rechtlich niemand mehr etwas zu sagen hatte. Ein Teil von ihm war wieder fünfzehn Jahre alt und hatte schlicht Mist gebaut.
Tanja schnaubte in die Leitung: „Eigentlich wäre es nur fair, wenn du herkommst und mir hilfst, die Haselnussbüsche zurückzuschneiden.“ Sie zögerte. „Was ist denn mit Andreas?“
Sascha sah seine Chancen steigen. Immerhin hatte er noch im Hinterkopf, dass er am Montag Tanjas Auto brauchte: „Ich schneide die Büsche nächste Woche alleine zurück, okay? Du brauchst dich darum nicht zu kümmern. Ich verspreche es dir. Und Andreas hatte einen kaputten Backenzahn, der gezogen werden musste.Wurzelentzündung sogar. Er hat sich die ganze Woche damit herumgeschleppt, bevor er zum Arzt gegangen ist. Und niemand hat ihn begleitet, kannst du dir das vorstellen? Naja, er zittert immer noch tierisch und ist total fertig, weil er Panik hatte und so weiter. Ehrlich, so etwas habe ich noch nie gesehen. Er sieht aus wie eine Leiche.“
„Du übertreibst aber gerade nicht zufällig ein wenig, um mein Mutterherz zu erweichen?“
„Nein, echt nicht“, sagte Sascha
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