Leben Ist Jetzt
dennoch zärtlich. Sie helfen einander. Sie werfen dem anderen sein
Alter und seine Begrenzungen nicht vor, sondern tragen sie miteinander. In ihrem Miteinander spürt man die große Liebe, die sie trägt und die sich jetzt
im Alter verwandelt hat in ein bedingungsloses Annehmen des anderen. Sie teilen die gemeinsamen Erinnerungen an die vielen Jahre, die sie zusammen erlebt
haben, an die Krisen und dunklen Zeiten, die sie miteinander durchgestanden haben, an die Geburt ihrer Kinder und derenEntwicklung, an
all das, was sie gesehen haben, und an den Segen, der von ihrer gemeinsamen Liebe ausgegangen ist in diese Welt. Solche alten Ehepaare, die sich in ihrer
gegenseitigen Liebe ein Leben lang tragen, sind ein Hoffnungszeichen für viele junge Ehen, die oft genug Angst haben, ob ihre Liebe ein Leben lang
ausreichen und immer lebendig bleiben wird. Es gibt die Liebe, die dem andern für immer treu ist und ihn bis über die Schwelle des Todes begleitet.
Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass wir lebendig bleiben
Manche ältere Paare sind von ihrer Beziehung enttäuscht. Sie sagen: Unsere Partnerschaft ist langweilig geworden. Wir haben uns nicht
mehr viel zu sagen. Wir kennen einander in- und auswendig. Die Faszination durch den anderen ist vorbei. Dann stellt sich die Frage, wie man trotzdem gut
und fair miteinander als Paar weiter leben kann.
Zunächst gilt es, sich nüchtern einzugestehen, dass die Partnerschaft langweilig geworden ist und dass man einander nicht mehr viel zu
sagen hat. Und die Partner sollen es betrauern. Denn es tut weh, sich das einzugestehen. Aber dann können sie gemeinsam überlegen, ob das so bleiben
muss. Gibt es nicht doch noch viele Bereiche, für die sie sich gemeinsam interessieren? Oder haben sie sich nichts mehr zu sagen, weil sie die Reaktionen
des anderen schon so genau kennen und die Frau es z. B. leid ist, dass ihr Mann sie ständig belehrt und ihr beweisen will, dass sie Dinge nicht versteht?
Dann ist es hilfreich, sich diese eingefahrenen Reaktionsmuster bewusst zu machen. Es hilft nicht weiter, dem Partner nur vorzuwerfen, dass er ständig
belehrt. Denn vielleicht merkt er das gar nicht. Wenn die Partner miteinander sprechen, dann muss das ohne Vorwürfe und ohne Wertungen geschehen. Sie
sollen einfach nuranalysieren, was das Miteinander so schwer macht. Und dann können sie überlegen, was sie ändern können. Sie werden
nicht alles ändern können. Manches muss man an sich und am anderen und am Miteinander einfach ertragen. Aber wenn ich es annehme als unsere Begrenztheit,
dann macht es mich nicht mehr bitter.
Der zweite Schritt wäre, sich einzugestehen, dass weder mein Partner noch ich selbst die Attraktivität besitzen, die wir einmal
hatten. Wir kennen einander, sowohl körperlich als auch seelisch. Das muss aber nicht Langeweile bedeuten. Es kann auch zum Vertrautsein führen. Wir sind
uns vertraut. Wir kennen uns, aber wir nehmen uns auch so an, wie wir sind. Das braucht eine gewisse Gelassenheit und auch Demut. Wenn wir aufhören, am
anderen herumzunörgeln, dann schaffen wir auch den Raum, in dem wir selbst sein dürfen, wie wir sind. Wir müssen nicht ständig beweisen, dass wir
attraktiv sind. Das heißt nicht, dass wir nicht an uns arbeiten. Es braucht ja auch die Spannung des Lebendigen. Und lebendig bleiben wir nur, wenn wir
bereit sind zu wachsen und uns weiter zu entwickeln.
Der dritte Schritt wäre, sich von der Fixierung auf die Partnerschaft zu lösen, und den jetzigen Zustand als Einladung verstehen, dass
jeder auch etwas für sich selbst tut. Jeder hat seine eigenen Interessen. Wenn wir die verfolgen, wenn wir uns weiter bilden,dann haben
wir auch wieder etwas zu erzählen. Jeder kann von dem Gebiet, auf dem er kompetent ist, dem anderen erzählen. Wichtig ist nur, dass wirklich die
Bereitschaft besteht, auch vom Partner zu erfahren, was ihn beschäftigt und bewegt.
Im Alter dürfen wir dankbar sein für die Treue des Partners. Aber wir dürfen nicht alles von ihm erwarten. Ich kenne alte Ehepaare,
die zu große Erwartungen an den Partner haben. Je weniger sie selber leben, desto größer wird die Erwartung an den anderen. Wenn das Leben im Alter
eingeschränkt wird und man sich nicht mehr in sein Hobby oder in eine Arbeit flüchten kann, dann ist es oft so, dass wir vom anderen die Erfüllung unseres
Lebens erwarten. Er muss uns lebendig halten. Doch bei aller Treue, die wir vom andern
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