Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst
weiß ich, würde ich zur Salzsäule erstarren.
Kurz darauf wirft Lizzy mir die Banane zu. Ich beginne, sie zu schälen, und führe sie an meinen Mund – doch dann fällt mir ein, dass ich Bananen ja verabscheue! Ich zwinge mich, einen Bissen zu nehmen, schlucke rasch und ziehe eine Grimasse. Den Rest der Banane werfe ich hinter mich und er landet im Vorhang. Die Menge brüllt vor Lachen. Dabei wollte ich gar nicht komisch sein.
Nach einer halben Ewigkeit, die in Wirklichkeit nur eine Minute und dreiundfünfzig Sekunden dauert, erreichen wir das Finale, in dem ich eine Flasche Soda öffne, daraus trinke, mich dann bücke und sie neben mir auf dem Boden abstelle, all das, während ich den Reifen weiter rotieren lasse. Er schwingt um meine Knie, bis die Musik verstummt. Dann schleudere ich ihn zu meinem Hals hoch und verbeuge mich. Mein Kopf wird lange genug klar, um den Applaus wahrzunehmen. Zugegeben, das fühlt sich irgendwie ganz nett an. Das letzte Mal haben mir Leute applaudiert, als ich in der sechsten Klasse den Rechtschreibwettbewerb gewonnen habe, weil ich das Wort pathologisch richtig buchstabieren konnte.
Lizzy krabbelt über die Bühne und sammelt die Requisiten ein und ich reiße mir den Rock vom Leib und renne die Stufen nach unten. Mom und Grandma kommen uns entgegengestürzt und nehmen uns in Empfang.
Ich wende mich an Grandma. »Ist das die Stelle, an der ich mich bei dir bedanken müsste?«
»Du warst großartig«, sagt sie. »Wenn du das schaffst, was könntest du nicht schaffen?«
Mom tätschelt ihre Videokamera. »Und ich hab alles auf dem Film.« Dann sagt sie zu Lizzy: »Alles in Ordnung mit dir, Schätzchen?«
Lizzy nickt. »Es tut mir ehrlich leid, Jeremy. Aber du warst total gut. Besser, als ich’s hingekriegt hätte.«
Ich weiß, dass das nicht stimmt, aber jetzt fängt schon der nächste Auftritt an, darum setzen wir uns hin und schauen zu. Es folgen zehn weitere Auftritte. Die meisten führen irgendetwas mit Gesang oder Tanz auf oder sie spielen ein Instrument, aber einer ist dabei, der als Stand-up-Comedian auftritt, und ein Mädchen spielt mit den Füßen ein Trommelsolo auf Bongos. Während die Preisrichter ihre Wertungspunkte zusammenzählen, kommen immer wieder Leute, schütteln mir die Hand und sagen mir, wie viel Mumm für meine Nummer nötig war. Meine eigene Erinnerung an den Auftritt ist völlig verschwommen. Wenn ich nicht noch immer den Reifen um meine Taille spüren würde, könnte ich beinahe glauben, ich hätte das Ganze nur geträumt. In einer Million Jahren hätte ich mir nicht vorgestellt, dass ich im Grasröckchen mit einem Hula-Hoop-Reifen bei einer Talentshow auftreten würde. Ich frage mich, was ich vielleicht sonst noch kann, mit dem ich im Leben nicht gerechnet hätte.
Ich versuche, Mom zu überreden, dass sie mich für einen Cremewaffelkuchen fortlässt, weil wir sowieso auf keinen Fall gewinnen werden. Sie verlangt, dass ich dableibe. Die Preisrichter verkünden, dass sie die Sieger gekürt haben.
Platz drei geht an die Su-Schwestern, die nicht gerade hell begeistert schauen, als sie auf die Bühne gehen, um ihren Zwanzig-Dollar-Scheck und den kleinen Bronzepokal in Empfang zu nehmen.
»Na, wer ist jetzt mit Lachen dran?«, flüstert Lizzy.
Ich kann es nicht fassen, als ich höre, wie unsere Namen für Platz zwei ausgerufen werden. »Das sind wir!«, kreischt Lizzy und zerrt mich vom Stuhl. Der Preisrichter übergibt Lizzy einen silbernen Pokal und einen Scheck über fünfunddreißig Dollar. Lizzy gibt beides direkt an mich weiter. »Das ist das Mindeste«, sagt sie. Ich widerspreche ihr nicht.
Der erste Platz und der Hauptpreis von fünfzig Dollar gehen an das Mädchen, das mit den Füßen auf den Bongos getrommelt hat.
Kapitel 19: Happy Birthday
Die Sonne scheint. Die Hähne krähen. Ich fühle mich älter. Nach dem Badezimmerspiegel zu schließen sieht man es mir allerdings nicht an. Eine Sekunde lang habe ich geglaubt, ich hätte ein Haar auf der Brust, aber es war bloß ein Haar von meinem Kopf, das heruntergefallen und dort hängen geblieben war. Als ich letzte Nacht wieder einzuschlafen versuchte, dämmerte mir, dass ich in Wirklichkeit das Ende meines dreizehnten Lebensjahres erlebe, nicht den Anfang. Wenn man nämlich vor dem ersten Geburtstag volle zwölf Monate alt ist, dann bedeutet das, dass ich jetzt volle dreizehn Jahre auf dieser Erde verbracht habe. Dies ist offiziell der erste Tag meines vierzehnten Lebensjahres. Kein Wunder,
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