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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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gar nicht«, sagt Lizzy verärgert. »Es bedeutet ›Leben‹.«
    Jetzt purzeln die Mädels übereinander, so heftig müssen sie lachen. Wir wechseln beunruhigte Blicke.
    »Stimmt das denn nicht?«, fragt Lizzy mit kleiner Stimme.
    Die Mädels schütteln den Kopf. Lizzy rollt eilig ihren Ärmel herunter und schiebt ihn noch weiter nach unten, damit er das Tattoo bedeckt. Sie packt mich beim Arm. »Komm, Jeremy, wir verschwinden von hier.«
    Wir lassen die Mädels zurück, aber ihr Gelächter folgt uns
bis vor das Zelt. Ich muss meine gesamte Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht auch zu lachen.
    »So, jetzt ist es amtlich«, sagt Lizzy. »Wir können niemandem trauen, der irgendwas an der Uferpromenade von Atlantic City verkauft.«
    »Würde es dir mit einem in Waffelteig gebackenen Snickers am Spieß wieder besser gehen?«
    »Könnte sein.«
    Während wir warten, dass meine Großmutter herauskommt, leckt Lizzy an ihrem Finger und rubbelt damit über das Tattoo. Es verwischt ein bisschen, aber es ist nach wie vor da. Wie versprochen, machen wir danach an dem neuen Stand Halt, und Grandma kauft uns jeweils beide süßen Teile. Mit einem Cremewaffelkuchen in der einen und einem Waffel-Snickers in der anderen Hand kann selbst Lizzy sich nicht lange ärgern.
    »Ich weiß nicht mal, wie eine Rübe aussieht«, brummelt sie. Inzwischen suchen wir uns eine Bank zum Hinsetzen, weil Grandma noch zu der Tischdeck-Veranstaltung geht und sich dort ihre Tischzuteilung holt. »Wie soll ich eine Vorliebe für Rüben haben, wenn ich nicht mal weiß, wie sie aussehen?«
    »Ausgeschlossen«, sage ich und beiße zuerst vom Cremekuchen, dann vom Snickers ab. Sie schmecken so gut, wie ich erwartet habe.
    »Dieses Tattoo sollte nach einer Woche weg sein. Jetzt ist eine Woche vorbei!«
    »Mach dir keine Sorgen. Du hast es so verwischt, dass kein Mensch sagen kann, ob da ›Leben‹, ›Rübe‹ oder ›Yankees vor‹ steht.«
    »Wirklich und ehrlich?«
    »Wirklich und ehrlich.«

    »Dafür überlass ich dir meinen Hula-Hoop-Reifen, wenn wir wieder im Gästehaus sind.«
    »Sehr witzig.«
    »Nein, du warst wirklich gut!«
    Ich esse den letzten Bissen vom Snickers und werfe den Spieß in den Müll. »Ja, ich weiß.«
    Den Rest dieses Tages und einen Großteil des folgenden verbringen wir damit, unser Programm zu üben. Inzwischen kann Lizzy den Fußball mit geschlossenen Augen fangen. Vielleicht hatte Grandma recht und die Talentshow wird gar nicht so schlimm.

    Der Ansager räuspert sich und dröhnt ins Mikofon: »Ihr bekommt Wertungen für Bühnenwirksamkeit, Selbstvertrauen, Originalität und Unterhaltungswert.«
    Lizzy beugt sich zu mir herüber. »Was ist mit meinem guten Aussehen? Zählt das überhaupt nicht?«
    »Psst!« Wir sitzen in der ersten Reihe zusammen mit den übrigen Wettbewerbsteilnehmern. Ich möchte nicht, dass irgendeiner der drei Preisrichter sich über uns ärgert, bevor die Show überhaupt angefangen hat. Als Nächstes stellt der Ansager die Preisrichter vor – einen glatzköpfigen Broadway-Produzenten, eine Frau aus einer Talentagentur und einen Typen, der in Werbespots Jingles singt. Während alle klatschen, gönne ich mir einen Augenblick Zeit, unsere Mitbewerber in Augenschein zu nehmen. Der Junge, der auf der anderen Seite neben mir sitzt, bohrt in der Nase, und das Mädchen daneben kaut auf einer Haarsträhne. Am Ende der
Reihe sitzen die drei Mädels, die mit dem Finger auf Lizzys Tattoo gezeigt haben, in identischen Trikots und Glitzerstiefeln. Ich glaube, Lizzy hat sie noch nicht gesehen, und das ist auch gut so. Sie mag ja vielleicht sagen, dass sie nicht nervös ist, trotzdem zerrt sie ständig an den nachgemachten Grasbüscheln auf ihrem Rock.
    »Und jetzt tanzen zu dem klassischen Disco-Hit ›It’s Raining Men‹ – die drei Su-Schwestern!«
    Alle klatschen, während die drei die Stufen zur Bühne hinaufsteigen. Lizzys Augen werden schmal und sie rutscht ein bisschen tiefer auf ihrem Sitz. Die Musik beginnt, setzt kurz aus und läuft dann normal. Die Mädels ziehen die gesamte Nummer mit Regenschirmen durch und sind tatsächlich sehr gut. Die Leute im Publikum fangen an mitzusingen. Ich drehe mich um und winke Mom und Grandma in der dritten Reihe zu. Mom hält ihre Videokamera startbereit gezückt. Irgendwie kann ich einfach nicht glauben, was ich hier veranstalten muss. Ich habe es bis zum Alter von fast dreizehn ohne irgendwelche Bühneauftritte geschafft. Diese Sache widerspricht meinen sämtlichen

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