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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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Billingslys Wohnung überhaupt keine Bücher gesehen habe.
    4. Hat Mrs Billingsly ihre Liebe zu Büchern aufgegeben, weil sie ihre Freundin verloren hat?
    5. Sie hat gesagt, sie hätte ihren Mann bei dieser Tanzveranstaltung kennengelernt, und anscheinend vermisst sie ihn. Ich frage mich, ob das auch heißt, dass sie mit dem Entschluss, das Buch zu verkaufen, glücklich war.
    6. Es gibt offenbar zwei Arten von Entscheidungen. Entscheidungen, die man trifft und die harmlos erscheinen, aber letztendlich dazu führen können, dass jemand seinen Vater verliert – zum Beispiel beschließt man eines Morgens, noch eine Tasse Kaffee mehr
zu trinken, deshalb muss man losgehen und neuen Kaffee kaufen, und dann überquert man die Straße, ohne zu schauen, und ein herankommendes Auto steuert gegen einen Telefonmast, damit man nicht überfahren wird. Und die andere Art Entscheidungen, bei denen man weiß, dass das, was man tut, zu etwas Schlechtem oder Gutem führen wird. Oder, in Mrs Billingslys Fall, beides. Sie hat ihre Freundin verloren, aber dafür ihren Mann gefunden.
    7. Zum Glück treffe ich sehr wenige Entscheidungen in meinem Leben. Was wäre, wenn ich eines Tages beschlösse, drei anstatt zwei Butterfinger-Krokantriegel zu essen, und zwischen meinem Land und Kanada bräche deswegen Krieg aus?
    Als ich das Notizheft zuklappe, denke ich darüber nach, ob es für Mrs Billingsly nicht zu spät ist, ihre Freundin zurückzubekommen. Und wenn Bitsy sie womöglich genauso vermisst?
    Sechs Minuten bleiben mir noch in der S.v.J. Ich gehe ins Internet und gebe als Suchbegriffe »Bitsy Solomon« und »Brooklyn« ein. Ich weiß, das ist ziemlich gewagt, aber wie viele Bitsy Solomons kann es geben, die aus Brooklyn stammen?
    Eine einzige, wie sich herausstellt.
     
    05.12.2002 Am Sonntag, den 8. Dezember, wird um 10 Uhr in der Brooklyn Memorial Chapel der Trauergottesdienst für Bitsy Solomon Shultz abgehalten. Anstelle von Blumen wird um Spenden an die Literaturstiftung »Zwei Herzen« gebeten. Mrs Shultz rief die ZH-Stiftung 1950 ins Leben, zu Ehren einer Freundin aus Kindertagen, welche ihre lebenslange Leselust weckte. Von 1989 bis 2000 war sie als ehrenamtliche Vorsitzende tätig.

    Mein großartiger Plan, mit Bitsys Telefonnummer vor Mrs Billingslys Tür aufzukreuzen, wird sich eindeutig nicht in die Tat umsetzen lassen.
    Ich blättere weiter, bis ich ein Foto finde. Die Frau sieht ein bisschen wie meine Großmutter aus und um den Hals trägt sie die gleiche Halskette mit den beiden Herzen wie Mrs Billingsly.
    Ich schlage mein Notizheft noch einmal auf und ergänze drei weitere Einträge.
    8. Manche Entscheidungen sind für immer.
    9. Ich frage mich, ob Mrs Billingsly wusste, dass Bitsy ihre Stiftung nach den zueinanderpassenden Halskettchen genannt hat, die sie beide trugen.
    10. Nur weil Leute aus unserem Leben verschwunden sind, heißt das noch nicht, dass sie nicht mehr an uns denken – und umgekehrt.
    Ich steige ins Bett und drücke das Plüschkrokodil fest an mich. Manchmal verrät einem das Internet mehr, als man wissen will.

    Lizzy ist noch nicht unten, als James auftaucht, um uns abzuholen. Ich werfe meinen Rucksack auf den Sitz und verspreche James, dass es nur ganz kurz dauern wird. Außer Atem vom Hochrennen, klopfe ich bei Lizzy an die Wohnungstür. Keine Antwort. Ich sperre mit meinem Schlüssel auf und stecke meinen Kopf nach drinnen. »Lizzy?«

    Sie antwortet noch immer nicht. Im Bad, das auf den Flur geht, höre ich Wasser laufen. »Lizzy?«, rufe ich laut durch die geschlossene Badezimmertür.
    »Moment!«, ruft sie in ungehaltenem Ton zurück. »Ach, von mir aus komm rein.«
    Ich öffne die Tür und finde sie vor dem Spiegel mit einem tropfnassen Handtuch in der Hand, das sie sich aufs Auge drückt.
    »Was ist passiert?«, frage ich hastig.
    »Wenn du’s unbedingt wissen willst«, sagt sie, nimmt das Handtuch weg und enthüllt ein feuerrotes Auge, »ich hab mir ins Auge gestochen.«
    »Womit denn?«, frage ich und suche den Raum nach spitzen Gegenständen ab.
    Sie murmelt eine Antwort, aber ich kann sie nicht verstehen. »Was hast du gesagt?«
    Sie stöhnt und wiederholt: »Ich hab mir mit einem Eyeliner ins Auge gestochen!«
    »Was ist ein Eyeliner?«
    »Hey«, sagt sie, da sie soeben feststellt, dass ich auf der Badematte stehe. »Keine Schuhe hier drinnen.«
    »Wieso denn das?«
    Sie starrt mich mit dem heilen Auge an. »Stell dir vor, du bist draußen auf einen Wurm getreten, dann bist du hier

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