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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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haben. Das gehört nicht unbedingt zu unserer Stellenbeschreibung. Er kann ja nichts dafür, dass wir diesen Job machen, anstatt nach den Schlüsseln zur Kassette meines Dads zu suchen und aus ihr den Sinn des Lebens zu erfahren.
    Als Mr Oswald mein Notizheft aufschlägt und vorne zu lesen anfängt, fühle ich mich gezwungen, mich vorab zu entschuldigen. »Es tut mir leid, dass das, was ich geschrieben habe, so kunterbunt durcheinandergeht, Mr Oswald. Es gab eine Menge zu verdauen.«
    Ohne hochzuschauen, sagt er: »Entschuldigen Sie sich nie, wenn Sie Ihre eigene Wahrheit aufschreiben, Mr Fink. Es gibt keine richtigen und falschen Antworten.«
    Da irrt er sich meines Erachtens. Gäbe es keine richtigen und falschen Antworten, dann hätten in der Schule alle Spitzennoten.
    Lizzy schlürft ihre Limo und sagt: »Ich hatte schon befürchtet, Jeremy würde überhaupt nichts schreiben. Wissen Sie, er hat eine existenzielle Krise gehabt.«
    Ich würde sie gern treten, aber sie sitzt auf der anderen Seite des Tischs.

    Mr Oswald zieht die Augenbrauen in die Höhe. »Ist das wahr?«
    Lizzy nickt. »Und dann hat er versucht, sich unsichtbar zu machen.«
    Ich habe wirklich Lust, mit meiner Limo nach Lizzy zu werfen, aber Gewalt war noch nie eine Lösung.
    Mr Oswald schaut mich an. »Da sind Sie ja sehr beschäftigt gewesen. Dann wollen wir mal sehen, was wir hier haben.« Beim Lesen murmelt er vor sich hin: »Sehr interessanter Gesichtspunkt. Und dies auch. Unklar, was Sie hiermit meinen, aber ich sehe, worauf Sie hinauswollen. Hmm, ja, ganz so hatte ich das noch nicht gesehen. Sehr gut. Sehr scharfsinnig.«
    Ich erröte, als er mir das Buch zurückgibt. Hastig stopfe ich es tief in meinen Rucksack. Mr Oswald wendet sich Lizzy zu. »Miss Muldoun, warum sind Sie hier?«
    Lizzy legt die Hände auf die Armlehnen ihres Plastikstuhls, als wollte sie sich hochstemmen. »Ähm, soll ich gehen?«
    Mr Oswald lacht. »Nein, nein, natürlich nicht. Ich meine, warum sind Sie hier ?«
    Lizzy versucht es noch mal. »Wegen eines kleinen Missverständnisses in einem Bürogebäude?«
    »Nein, nein, darum geht es nicht«, sagt Mr Oswald. »Ich habe gemeint: Warum sind Sie Ihrer Meinung nach hier auf der Erde, in diesem Moment unserer Geschichte?«
    »Oh«, sagt Lizzy. »Ich weiß nicht. Darüber hab ich nicht nachgedacht.«
    »Jeremy hat sehr viel darüber nachgedacht. Wollen Sie als seine beste Freundin mir sagen, dass Sie sich nicht selbst ein paar Gedanken darüber gemacht haben?«

    Lizzy rutscht unbehaglich auf ihrem Sitz hin und her. Sie saugt an dem Strohhalm in ihrem inzwischen leeren Glas.
    »Ich weiß es ehrlich nicht«, murmelt sie. Dann hört sie schlagartig auf, herumzurutschen, und sagt: »Wenn Sie schon so viel wissen, warum sagen Sie uns nicht, wozu wir hier sind?«
    Lizzys Direktheit ist mir ziemlich peinlich, aber Mr Oswald lacht und sagt: »Zu meiner Zeit, Lizzy, hätte man Sie als Feuerkopf bezeichnet.«
    »Danke dafür«, sagt sie und wirft sich in die Brust. »Nehme ich mal an.«
    »Ich fürchte allerdings, ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten. Ich bin mir ehrlich gestanden nicht einmal sicher, ob es überhaupt die richtige Frage ist.«
    Typisch. Als ich Mr Rudolph nach dem Sinn des Lebens gefragt habe, hat er das Gleiche gesagt. Dass ich die Frage falsch stellen würde. Wie soll ich die Antworten herausfinden, wenn ich ständig die Fragen vermassle? Es sind Momente wie dieser, in denen ich meinen linken Fuß für eine Tüte Sour-Patch-Fruchtgummimännchen verkaufen würde.
    Mr Oswald wartet geduldig, während eine Hummel angeschossen kommt, um sein Glas summt und wieder wegfliegt. »Wenn ich Sie wäre«, sagt er, »würde ich mich mehr dafür interessieren, wie wir hierhergekommen sind. Wieso ist etwas da, anstatt nicht da zu sein? Wenn wir das verstünden, wüssten wir vielleicht auch über das Warum Bescheid.«
    Ich sinke leicht in meinem Stuhl zusammen. »Aber wie soll ich das denn herauskriegen?«
    Mr Oswald gibt, nach hinten gewandt, James ein Zeichen, dass er mit dem kleinen Messingfernrohr zu uns kommen soll.
Ich frage mich, wie lange James wohl schon dort gestanden hat.
    »Wie es der Zufall will«, sagt Mr Oswald, nimmt das Fernrohr und hält es mir entgegen, »werden Sie heute jemanden kennenlernen, der rein zufällig eventuell die Antwort weiß.«
    Lizzy stöhnt auf. »Ist es zu spät, den Müll im Central Park aufzusammeln?«
     
    Wir sind weniger als zehn Minuten mit dem Wagen gefahren, als James vor dem

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