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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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des Hudson River könnte den Tunnel überfluten. Ich sollte wirklich mal eine S.v.J. mit Nachforschungen darüber verbringen, wie Tunnel gebaut werden.
    »Soll ich eine Musik einlegen?«, ruft Tante Judi zu uns nach hinten.
    Ich schaudere bei dem Gedanken. Alles, was auf Achtspurbändern aufgenommen ist, gehört mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht zu den Dingen, die ich gern hören möchte. Andererseits werden wir, wenn keine Musik läuft, Mom und Tante Judi dabei zuhören müssen, wie sie über »die Rolle des Künstlers in der heutigen Gesellschaft« diskutieren. Ich beuge mich nach vorn und frage: »Was haben wir denn zur Auswahl?«
    Tante Judi kramt in den Kassetten auf ihrem Schoß. »Bread, KC and the Sunshine Band oder die Jackson 5.«
    Lizzy und ich tauschen fragende Blicke. »Nur zur Sicherheit«, sage ich, »sind das Musikgruppen?«
    Tante Judi und meine Mutter lachen. »Na klar«, sagt Tante Judi.

    »Dann überraschen Sie uns mal«, sagt Lizzy und rollt mit den Augen.
    Ein paar Sekunden später knattern Diskoklänge durch die alten Lautsprecher. I want to put on my my my my my boogie shoes. Ich versinke tief in meinem Sitz für eine Fahrt, die zweifellos sehr lange dauern wird.
     
    »Was wollen Sie damit sagen, sie können nicht herein?«
    Lizzy und ich drücken uns an die Wand. Wenn meine Mutter die Stimme erhebt, was selten vorkommt, dann ducken sich die Leute. Der Wachmann des Spielkasinos allerdings duckt sich nicht. Er verschränkt seine fleischigen Arme vor der breiten Brust.
    »Niemand unter achtzehn darf den Boden des Kasinos betreten«, dröhnt er.
    »Sie werden ja nicht spielen«, beharrt meine Mutter. »Meine Schwester nimmt an einer Kunstausstellung teil. Wir müssen lediglich durch das Kasino laufen, um dorthin zu kommen!«
    Er schüttelt den Kopf und schaut sich um. »Ich seh keine Kunst nich.«
    »Meine Schwester hat das Haus über die Laderampe betreten«, sagt meine Mutter, die offensichtlich langsam die Fassung verliert. »Wir sollen uns jetzt mit ihr treffen.«
    Wieder schüttelt der Mann den Kopf. Da fällt mir etwas ein: Wenn Mom schon weiß, dass wir nach einer Ausrede suchen werden, um wegzukommen, kann das genauso gut jetzt passieren. Ich zupfe sie am Blusenärmel. »Ähm, Lizzy und ich können doch die Strandpromenade entlanglaufen und uns an den Strand setzen. Und dann treffen wir euch hier in ein paar Stunden …?«

    Sie seufzt und wirft uns beiden lange Blicke zu. »In Ordnung«, sagt sie schließlich. »Aber seid vorsichtig. Bleibt zusammen. Ihr habt eure Sandwichs?«
    Ich klopfe auf meinen Rucksack und nicke.
    »Wir treffen uns wieder hier um zwölf zum Mittagessen, okay?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs Fink«, sagt Lizzy und legt schwungvoll ihren Arm um meine Schultern. Dazu muss sie sich auf Zehenspitzen stellen. »Ich passe auf, dass er nicht in Schwierigkeiten gerät.«
    »Und wer passt auf, dass du nicht in Schwierigkeiten gerätst?«, fragt Mom matt.
    »Wer, ich?«, fragt Lizzy. »Die Zeiten, in denen ich irgendwelche Dummheiten gemacht habe, liegen lange zurück.«
    Während meine Mom noch nach einer Antwort sucht, laufen Lizzy und ich schnell zu den Ausgängen und stürzen uns nach draußen auf die Strandpromenade. Da es erst knapp neun Uhr ist, ist kaum jemand unterwegs. Wir kommen an einem Spielkasino nach dem anderen vorbei und an einer Menge Würstchen- und T-Shirt-Buden. Die meisten haben noch zu. »Wo sind die ganzen Leute?«, will Lizzy wissen.
    »Im Bett«, antworte ich.
    »Oder in der Kirche.«
    Ich zucke die Achseln. »Möglich.«
    »Vielleicht sollten wir da hingehen.«
    Ich bleibe stehen. »In die Kirche?«
    Lizzy zeigt auf ein altes Bauwerk aus Holz genau am Rand des Strands. SPIRITUALISTISCHE KIRCHE VON ATLANTIC CITY. JEDERMANN WILLKOMMEN. GOT-TESDIENSTE BEGINNEN UM 9:30.

    »Wir kommen genau rechtzeitig«, sagt sie und zieht mich in Richtung des Gebäudes. Dem Aussehen nach war die Kirche wahrscheinlich früher mal ein T-Shirt-Laden!
    Ich zerre in die Gegenrichtung. »Meinst du das ernst? Ich kann da nicht reingehen!«
    »Warum nicht?«
    »Also, zuallererst mal bin ich teilweise jüdisch. Wir gehen nicht in Kirchen.«
    »Jedermann willkommen«, sagt Lizzy und tippt mit dem Finger auf das Schild. »Das heißt, du auch.«
    »Warum willst du da so unbedingt hin?«, frage ich misstrauisch. »Hast du da irgendwas wieder gutzumachen?«
    »Sehr witzig. Ich will das einfach mal ausprobieren. Als wir diesen ganzen Kram über das Universum erfahren

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