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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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deutlich anzuhören, dass es ihr dringend ist.
    »Hä? Wieso denn? Was war das da eben eigentlich für eine Nummer?«
    »Lass uns einfach gehen«, sagt sie. Dann läuft sie, ohne auch
nur einen Moment länger auf mich zu warten, zur Eingangstür hinaus. Rasch stecke ich das Sandwich in meinen Rucksack zurück und verdrücke mich ebenfalls. Dabei lasse ich das Gesangbuch auf meinem Platz liegen. Ich komme mir ein bisschen unhöflich vor, weil ich mitten im Gottesdienst gehe, aber vielleicht haben es ja nicht so viele Leute bemerkt.
    Draußen marschiert Lizzy auf und ab. Ich werde aus ihrem Gesichtsausdruck nicht schlau. Sie sieht weder erschrocken noch sauer noch ruhig noch nachdenklich aus – noch sonst irgendwie.
    »Lizzy?«
    Sie bleibt stehen.
    »Warum wolltest du weg? Warum bist du zu den Heilern gegangen?«
    Sie antwortet nicht.
    »Ist bei dir alles klar?«, frage ich, denn ich mache mir langsam Sorgen. »Warum brauchtest du eine Heilerin? Wie hat sich das angefühlt?«
    »Mir geht’s gut«, sagt sie. »Mach dir keine Sorgen. Ich möchte bloß nicht drüber reden, okay?«
    »Aber …«
    Sie schüttelt den Kopf.
    Schweigend gehen wir in dieselbe Richtung, die wir vorher eingeschlagen hatten. Alle paar Meter werfe ich Lizzy einen verstohlenen Blick zu, aber sie schaut stur geradeaus. Die Läden haben inzwischen großenteils geöffnet und auf der Strandpromenade sind viel mehr Leute unterwegs. Eine Gruppe von Geschäftsleuten mit umgehängten Firmenausweisen drängt an uns vorbei. Es gibt ein paar Familien und einige Händchen haltende Paare. Wir steuern auf eine Frau zu, die hinter einem
Tisch sitzt, aber sie bietet, wie sich herausstellt, temporäre Tattoos an, keine Wahrsagerei.
    »Willst du eins?«, fragt Lizzy und bricht so ihr Schweigen.
    »Heute bist du echt für eine Überraschung nach der andern gut.«
    »Ich lass mir eines machen.«
    »Warum?«
    »Warum nicht? In einer Woche ist es weggewaschen.«
    Ich schätze, dagegen habe ich keine Argumente parat. Wir gehen zu der Tafel, auf der die verschiedenen Motive abgebildet sind. »Wie wäre es mit dem?«, sagt Lizzy und zeigt auf eine Anordnung chinesischer Schriftzeichen. Darunter steht die englische Übersetzung. Ich trete näher heran, damit ich sie lesen kann. LEBEN.
    »Findest du das nicht passend?«, fragt sie. »Immerhin veranstalten wir doch diese ganze Suche nach dem Sinn des Lebens.«
    »Wo willst du es haben?«
    »Ich denke mal, auf meinem Oberarm.«
    »Wie ein Seemann?«
    »Verlass dich drauf«, sagt sie und rollt ihren kurzen Ärmel bis zur Schulter hoch, »da wird nachher nicht ›MOM‹ in einem großen Herzen stehen.«
    »Seid ihr so weit?«, fragt die Tattoofrau und lässt ihren Kaugummi schnalzen. Ich glaube nicht, dass die Tattoos auf ihren eigenen Armen abwaschbar sind.
    »Es geht nur um sie«, sage ich rasch, trete ein paar Schritte zurück und zeige auf Lizzy.
    »Welches hast du dir ausgesucht?«, will sie wissen.
    Lizzy zeigt auf das Tattoo, das sie haben möchte.

    »Ah, Le’m«, sagt die Frau in ihrer undeutlichen texanischen Aussprache. »Das is’ne gute Wahl.«
    Sie lässt Lizzy auf einem Hocker Platz nehmen. Dann wischt sie Lizzys Arm mit einem Lappen ab. »Um jede Spur von Schweiß wegzunehmn«, erklärt sie. »Wir hättn gern’ne schön saubere Oberfläche.« Sie bringt einen hauchdünnen Pinsel und eine Flasche Henna zum Vorschein. Indem sie zu der Vorlage hinüberschaut, fängt sie an zu malen.
    Ich räuspere mich. »Sie wissen nicht rein zufällig, ob … ob es hier in der Nähe Wahrsagerinnen gibt?«
    »Welche Art von Wahrsagerin’?«, fragt sie zurück. »Wir ha’m welche, die dir dein Schicksal mit Kartenlegn voraussagn könn’, und eine, die’n Gegenstand von dir in die Hand nimmt und dir sagt, wen du heiratst. Und wir ha’m auch’n paar normale Handleserin’.«
    »Handleserinnen«, wiederhole ich.
    »Jeremy!«, schreit Lizzy. »Stör die Frau nicht, solange sie mein Tattoo aufmalt!«
    Die Frau lacht. »Keine Sorge, Herzchen. Ich mach das schon seit so viel Jahrn, dass ich dabei steppn und’n Spiegelei bratn und immer noch fehlerfrei arbeitn könnt. Also, nach was für’ner Handleserin sucht ihr zwei?«
    Mir wird bewusst, dass ich nicht gerade viel über sie weiß. »Na ja, alt muss sie sein. Uralt.« Die Frau lacht wieder und dieses Mal rutscht ihr tatsächlich der Pinsel ein bisschen aus. Rasch feuchtet sie die Ecke eines Papiertuchs an und bringt das wieder in Ordnung. Lizzy funkelt mich an.
    »Alt im

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