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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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Vergleich zu mir?«, erkundigt sich die Frau. »Oder alt im Vergleich zu euch? Kinder in euerm Alter findn ja jedn über vierzig alt!«

    »Alt im Vergleich zu jedem anderen«, sage ich. »Und sie hat einen Akzent. Russisch oder so was.«
    Die Frau bringt Lizzys Tattoo zu Ende und tritt einen Schritt zurück, um einen abschließenden Blick darauf zu werfen. »Russisch, sagste? Viele Haare? Große …« Sie bricht ab und vollendet dann: »Zähne. Lange Zähne. Klingt das nach ihr?«
    »Ich weiß nicht«, antworte ich ehrlich. »Mein Vater hat nie über ihre Zähne gesprochen.«
    Sie lacht leise. »Probier’s mit dem klein’ Ladn gleich hinterm Tropicana,’n paar Spielkasinos weiter. Ich glaub, da sprechn sie irgendwas Komisches, so wie Russisch.«
    Ich will mich für die Information bei ihr bedanken, aber im selben Moment sagt Lizzy: »Mensch, Sie müssen eigentlich eine Menge über das Leben wissen, wo sie doch hier arbeiten, oder?«
    Ich spüre, wie ich rot werde, aber ich halte Lizzy nicht davon ab, das zu fragen, was sie garantiert als Nächstes fragen will.
    »Ich hab schon alles gesehn, Herzchn. Wa’um fragst du?«
    »Wir sind auf der Suche nach dem Sinn des Lebens«, erklärt Lizzy. »Und wir haben eine Art Frist.«
    Die Frau setzt mit einem winzigen Pinselstrich einen letzten Schnörkel auf Lizzys Arm, dann tritt sie zurück, um ihr Werk zu bewundern. Mit zufriedenem Nicken sagt sie: »Fünf Dollar, bitte.«
    Lizzy erhebt sich vom Hocker und verdreht ihre Schulter, damit sie das Tattoo sehen kann. »Cool.« Sie gräbt in ihrer Tasche und überreicht der Frau einen zerknitterten Fünf-Dollar-Schein.
    »Der Sinn des Le’ms«, sagt die Frau und steckt den Geldschein vorn in ihre Bluse, »na, das is doch leicht. Gottes Liebe
gibt dem Le’m Sinn. Ich geh einfach den Weg, den Er in der Bibel zeigt. Mehr brauch ich nich zu wissn. Wenn du sein’ Anweisungn folgst, is das fast wie’ne Landkarte, die dir den Weg durchs Le’m und zum Himmel zeigt. Nie brauchst du dir Gedankn machn, ob du dich richtig entscheidst oder nich, weil nämlich alles genau für dich zurechtgelegt is.«
    Sie sieht aus, als wollte sie noch mehr sagen, aber eine sechsköpfige Familie mit großen Fotoapparaten um den Hals hat sich an den Tisch gedrängt.
    »Aber woher wissen Sie, dass Sie der richtigen Religion folgen?«, fragt Lizzy. »Dem richtigen Weg?«
    Die Frau zieht die Augenbrauen in die Höhe, als hätte ihr noch nie jemand diese Frage gestellt. Dann lächelt sie. »Ich weiß das nich im Kopf, Herzchn. Ich fühl’s in mei’m Herzn.«
    »Aber …« Lizzy wird durch eine Horde lärmender College-Kids unterbrochen, die die Tattoo-Schautafel umringen und sich gegenseitig herausfordern, sich die hässlichsten Tattoos machen zu lassen.
    »Also, vielen Dank für alles«, sage ich laut zu der Frau und packe Lizzy beim Arm, bevor sie noch länger neugierige Fragen stellen kann.
    Die Frau schaut von ihren neuen Kunden weg und nickt uns zu. »War mir’n Vergnügn, Herzchn. Ich wünsch euch alln Glück.«
    Als wir weggehen, sagt Lizzy: »Ich verstehe einfach nicht, wie es so viele verschiedene Religionen geben kann, und jeder denkt, seine ist die richtige.«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich gibt es deswegen so viele Kriege.«
    Lizzy antwortet nicht. Sie hat den Kopf verdreht und ist
damit beschäftigt, ihr Tattoo zu bewundern. Ich muss sie zur Seite lotsen, damit sie die anderen Leute nicht anrempelt.
    »Stört es dich, das niemand das lesen kann?«, frage ich sie. »Das heißt, außer wenn er Chinese ist.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Ich weiß, was da steht; das reicht. Ich kann’s kaum erwarten, meinen Dad ausflippen zu sehen, bis ich ihm sage, dass es nur ein abwaschbares Tattoo ist.«
    Wir gehen am Tropicana vorbei, und genau wie die Frau gesagt hat, stehen wir unmittelbar darauf vor einem Laden mit der Aufschrift HANDLESEN, FÜNF DOLLAR.
    Keiner von uns macht Anstalten, einzutreten. »Vermutlich kostet alles an der Strandpromenade fünf Dollar«, witzelt Lizzy.
    Ich rühre mich immer noch nicht. »Und was ist, wenn sie gar nicht da ist? Oder schlimmer, wenn sie da ist? Was soll ich ihr sagen? Dass mein Dad, wenn sie ihm nicht diese Zukunft vorausgesagt hätte, vielleicht vorsichtiger gewesen wäre?«
    »Glaubst du das denn wirklich?«
    Ich zucke die Achseln. »Ein bisschen vielleicht.«
    »Ich dachte, du wolltest sie fragen, wo die Schlüssel sind.«
    »Ja, das auch.«
    »Wir müssen nicht reingehen, wenn du nicht willst.«
    Ich

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